OLG Hamburg, Urteil vom 22.03.2011 - 7 U 128/09
Fundstelle
openJur 2011, 89226
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 324 O 84/08
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. November 2009, Gescha?ftsnummer 324 O 84/08, wird zuru?ckgewiesen.

Die Beklagte tra?gt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich des Verbotsausspruches gegen Sicherheitsleistung in Ho?he von EUR 15.000,-- und hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Ho?he von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorla?ufig vollstreckbar.

Gründe

(gemäß §§ 540 Abs. 1 und 2, 313a ZPO)

Die zula?ssige Berufung ist unbegru?ndet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, es zu unterlassen, zu behaupten bzw. behaupten zu lassen, zu vero?ffentlichen bzw. vero?ffentlichen zu lassen oder sonst zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen, „`Merken Sie sich eins`, erza?hlte er (sc. Dr. H... M...-V...) einem gerade zur F... hinzugestoßenen Redakteur, `rechts neben mir ist nur noch die Wand.“.

Die Klage ist zula?ssig, insbesondere steht ihrer Zula?ssigkeit nicht die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils des Landgerichts Hamburg vom 19. Oktober 2007 (Az.: 324 O 559/17) entgegen. Im Verfahren 324 O 559/07 ist ein anderer Streitgegenstand zur Entscheidung gestellt worden, auch wenn es ebenfalls um die Vero?ffentlichung des t...-Artikels vom 22. Februar 2001 und das in diesem Artikel enthaltene Zitat „Merken Sie sich eins, rechts neben mir ist nur noch die Wand“ im Online-Angebot der Beklagten ging. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Klagegrund, der den Streitgegenstand einer Unterlassungsklage mitbestimmt, wird durch die zu seiner Begru?ndung vorgetragenen Verletzungsfa?lle gebildet. Spa?tere Verletzungshandlungen sind vom Streitgegenstand, auch wenn sich dieselbe Verletzungsform ergibt, nicht umfasst (BGH NJW-RR 2006, 1118). Im Verfahren 324 O 559/07 war der Unterlassungsantrag auf die bis Juni 2007 bestehende Abrufbarkeit des t...-Artikels im Online-Angebot gestu?tzt. Danach war der Artikel zuna?chst nicht abrufbar. Im hiesigen Rechtsstreit stu?tzt der Kla?ger sein Unterlassungsbegehren darauf, dass die Beklagte den Artikel erneut in ihr Online-Angebot aufnahm. Da es sich mithin um eine neue Verletzungshandlung handelt, liegt ein neuer Streitgegenstand vor, so dass die Rechtskraft des Urteils vom 19. Oktober 2007 der Zula?ssigkeit der hiesigen Klage nicht entgegensteht.

Die Klage ist auch begru?ndet. Der Kla?ger hat bewiesen, dass der t...-Artikel mit der angegriffenen A?ußerung am 21. Januar 2008 im Online-Angebot der Beklagten abrufbar war. Unstreitig ist, dass der Kla?ger sich nicht wie im angegriffenen Artikel geschildert a?ußerte, die aufgestellte Behauptung mithin unwahr ist. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausfu?hrungen im Urteil des Landgerichts, denen die Beklagte in der Berufung nicht entgegentritt, verwiesen werden.

Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der Kla?ger die Vero?ffentlichung der A?ußerung nicht genehmigte. Nach Auffassung des Senats ergibt sich bereits aus dem Sachvortrag der Beklagten, der Vernehmung des Zeugen E... und dessen Vermerk vom 15. Oktober 2001 nicht, dass der Kla?ger eine derartige Genehmigung erteilte. Einer Wu?rdigung, ob den Angaben des Zeugen oder den widersprechenden Ausfu?hrungen des perso?nlich angeho?rten Kla?gers zu folgen ist, bedarf es deshalb nicht. Nach dem vom Zeugen E... besta?tigten Vorbringen der Beklagten war es so, dass der Kla?ger und E... im Telefonat am 15. Oktober 2001 u?ber den t...-Artikel vom 22. Februar 2001 und das darin enthaltene, vom Kla?ger nunmehr beka?mpfte Zitat sprachen. Danach lachte der Kla?ger u?ber das Zitat und erkla?rte, dass das Zitat belege, dass er wa?hrend seiner Ta?tigkeit bei der F... gegenu?ber jungen Mitarbeitern sehr entschieden aufgetreten sei. Zudem meinte er, dass er eine deutliche Sprache liebe und um die Sache nicht herumrede. Auch von diesem Sachverhalt ausgehend kann eine konkludente Genehmigung der Vero?ffentlichung seitens des Kla?gers nicht festgestellt werden. Zuna?chst du?rfte Rechtsanwalt E... nicht der Ansprechpartner gewesen sein, um gegenu?ber der Beklagten eine Vero?ffentlichung zu genehmigen. Zwar fu?hrte der Zeuge E... das Telefonat mit dem Kla?ger in seiner Eigenschaft als Anwalt der Beklagten, um ihn als Zeugen fu?r einen von der Beklagten gefu?hrten Rechtsstreit zu gewinnen. Hieraus folgt aber nicht, dass vom Kla?ger ihm gegenu?ber abgegebene Erkla?rungen u?ber einen im Verlag der Beklagten erschienen Artikel gegenu?ber der Beklagten verbindlich waren. Unabha?ngig davon reichen die geschilderten Erkla?rungen und Verhaltensweisen nicht aus, um von einer konkludent erteilten Genehmigung der Vero?ffentlichung auszugehen. Man mag dem zwar entnehmen, dass der Kla?ger zum Zeitpunkt des Telefonats bereit war, die Vero?ffentlichung hinzunehmen, auch wenn das Zitat – was unstreitig ist – unwahr ist. Eine ihn bindende Erkla?rung, in die Vero?ffentlichung der unwahren Behauptung einzuwilligen, insbesondere auch fu?r die Zukunft, entha?lt das gezeigte Verhalten aber nicht.

Die von der Beklagten angefu?hrte Rechtsprechung zu den Online-Archiven ist vorliegend nicht einschla?gig, da es um die Vero?ffentlichung einer unwahren Behauptung geht. Fu?r die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es in der Regel keinen rechtfertigenden Grund. Deshalb tritt die Meinungsfreiheit bei unwahren Tatsachenbehauptungen grundsa?tzlich hinter das Perso?nlichkeitsrecht zuru?ck (BVerfG NJW 1999, 1322). Dementsprechend betont auch der Bundesgerichtshof in einer seiner Entscheidungen zu den Online-Archiven (Urteil vom 15.12.2009, Az: VI ZR 227/08, juris Rn. 15), dass wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden mu?ssen, auch wenn sie nachteilig fu?r den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht.

Auch das u?brige Parteivorbringen fu?hrt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung u?ber die vorla?ufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Die Voraussetzungen fu?r die Zulassung der Revision liegen nicht vor.