VG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.2011 - 27 K 1831/10
Fundstelle
openJur 2011, 77167
  • Rkr:

Zur Rundfunkgebührenpflichtigkeit des angemeldeten Ehegatten nach seinem Wegzug aus dem ehelichen Haushalt ins Ausland, ohne sich bei der GEZ abzumelden.

Zur Verjährung nach dem Übergangsrecht.

Ein Verstoß gegen rundfunkgebührenrechtliche Mitteilungspflichten kann die Annahme, die anschließende Verjährungseinrede stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, nur dann rechtfertigen, wenn er für den Eintritt der Verjährung ursächlich ist. Die Verjährungseinrede ist daher nicht ausgeschlossen, wenn die GEZ die neue Adresse eines ins Ausland verzogenen Rundfunkteilnehmers rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung von dritter Seite erfährt.

Tenor

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 3. Februar 2010 wird insoweit aufgehoben, als damit gegen den Kläger auch für die Zeit von Oktober 2004 bis einschließlich Dezember 2005 Rundfunkgebühren nebst Rücklastschriftkosten in Höhe von insgesamt 253,62 Euro festgesetzt worden sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger ¾ und der Be-klagte ¼.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet.

Denn der Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 3. Februar 2010 ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), als damit gegen den Kläger auch für die Zeit von Oktober 2004 bis einschließlich Dezember 2005 Rundfunkgebühren nebst Rücklastschriftkosten in Höhe von insgesamt 253,62 Euro festgesetzt worden sind. Für den verbleibenden Zeitraum von Januar 2006 bis einschließlich März 2009 hat der Beklagte den Kläger mit dem Bescheid vom 2. Oktober 2009 zu Recht zur Zahlung von Rundfunkgebühren in Höhe von 667,02 Euro zuzüglich eines Säumniszuschlags von 5,- Euro herangezogen.

Der Kläger war zwar im gesamten, vom Bescheid vom 2. Oktober 2009 erfassten Zeitraum von Oktober 2004 bis einschließlich März 2009 gebührenpflichtig (unter 1.). Auch entsprach die Höhe der festgesetzten Gebühren den gesetzlichen Vorgaben (unter 2.). Der Kläger hat den Gebührenforderungen jedoch beschränkt auf den Zeitraum von Oktober 2004 bis einschließlich Dezember 2005 zu Recht die Einrede der Verjährung entgegen gehalten, so dass insoweit die Forderungen nicht im Wege ihrer Titulierung mittels Gebührenbescheid durchgesetzt werden dürfen (unter 3.).

1. Rechtsgrundlage der Heranziehung des Klägers zur Zahlung von Rundfunkgebühren im Zeitraum von Oktober 2004 bis einschließlich März 2009 sind §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV).

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät Rundfunkgebühren zu entrichten. Gemäß § 4 Abs. 1 RGebStV beginnt die Rundfunkgebührenpflicht mit dem ersten Tag des Monats, in dem ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird.

Nach diesen Grundsätzen begann die Rundfunkgebührenpflicht des Klägers entsprechend seiner Anmeldung Mitte der 70-er Jahre.

Nach § 4 Abs. 2 RGebStV endet die Rundfunkgebührenpflicht mit Ablauf des Monats, in dem das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes endet, jedoch nicht vor Ablauf des Monats, in dem dies der Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist. Das Ende der Rundfunkgebührenpflicht ist damit an zwei materiellrechtliche Voraussetzungen gebunden. Über das Beenden des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgerätes hinaus bedarf es zusätzlich der Anzeige dieses Umstandes gegenüber der GEZ, die vom Beklagten insoweit gemäß § 3 Abs. 4 RGebStV beauftragt worden ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren vom 18. November 1993 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 3. Juni 2002, die gemäß § 4 Abs. 7 RGebStV mit Genehmigung der Landesregierung erlassen wurde - im Folgenden: WDR-Gebührensatzung). Anders als der Anmeldeanzeige kommt der Abmeldeanzeige gemäß § 4 Abs. 2 RGebStV nach dem Regelungssystem des RGebStV daher entgegen der Einschätzung des Klägers - konstitutive Wirkung zu.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2010 - 8 A 2217/09 -, juris (Rn. 48).

Danach dauerte die Rundfunkgebührenpflicht des Klägers auch im genannten streitbefangenen Zeitraum fort. Der Kläger ist zwar unstreitig vor Oktober 2004 aus der ehelichen Wohnung in H ausgezogen und nach Spanien verzogen, so dass er im streitbefangenen Zeitraum - jedenfalls aber bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland im Februar 2009 - keine Rundfunkempfangsgeräte mehr (im Geltungsbereich des RGebStV) bereitgehalten hat. Der Kläger hat diesen Umstand aber nicht zumindest vor Beginn des letzten Monats des streitbefangenen Zeitraums der GEZ mitgeteilt. Die Abmeldung bei der Meldebehörde genügt - wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 RGebStV ergibt - insoweit nicht.

Das Abmeldeerfordernis gegenüber der GEZ entfiel auch nicht im Hinblick darauf, dass der Kläger aus dem ehelichen Haushalt ausgezogen und seine frühere Ehefrau im Besitz der ursprünglich gemeinsam bereitgehaltenen Rundfunkempfangsgeräte verblieben ist.

Die Rundfunkgebührenpflicht knüpft auch im Fall der Ehe nicht an einen Haushalt an, in dem Rundfunkgeräte betrieben werden, und endet daher auch nicht - wie vom Kläger sinngemäß geltend gemacht - automatisch für denjenigen, der diesen Haushalt unter Zurücklassung der Geräte verlässt. Sie ist vielmehr auf eine konkrete Person bezogen: Rundfunkgebührenpflichtig ist nach § 2 Abs. 2 RGebStV allgemein und auch im Fall der Ehe jeder Rundfunkteilnehmer. Abgesehen davon, dass in einer Ehe, in der Rundfunkgeräte im Regelfall gemeinsam zum Empfang bereitgehalten werden, in rechtlicher Hinsicht bezüglich der gemeinsamen Geräte beide Partner Rundfunkteilnehmer sind,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2010 - 8 A 2217/09 -, juris (Rn. 40 ff.) -

war es zudem der Kläger und nicht seine frühere Ehefrau, der bei der GEZ als solcher gemeldet war. Der Kläger war somit ursprünglich in eigener Person als Rundfunkteilnehmer gebührenpflichtig. Diese persönliche Gebührenpflicht konnte nach der zwingenden Vorgabe des § 4 Abs. 2 RGebStV nur nach entsprechender Abmeldung enden. Eine Ausnahme von diesem Erfordernis für den Fall des Auszugs aus der ehelichen Gemeinschaft unter Zurücklassung der Rundfunkgeräte ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Eine rückwirkende Abmeldung ist nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 RGebStV ebenfalls ausgeschlossen. Soweit in der ständigen Praxis der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in einem Fall, in dem ein Ehepartner unter Zurücklassung der auf seinen Namen angemeldeten Rundfunkgeräte aus der Ehewohnung auszieht, ohne dies zunächst der GEZ mitzuteilen, eine später erklärte Abmeldung ausnahmsweise mit Rückwirkung berücksichtigt wird, wenn und soweit der zurückgebliebene Ehepartner für die zurückgelassenen Rundfunkgeräte Rundfunkgebühren entrichtet,

vgl. Gall in: Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl., § 4 RGebStV Rn. 46; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 8 A 1033/09 -, nicht veröffentlicht; OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 8 E 306/09 -, nicht veröffentlicht -

so lässt sich ein solcher Ausnahmefall hier nicht feststellen. Der für diese Ausnahme nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat bereits nicht substantiiert dargelegt, dass seine frühere Ehefrau für die von ihm bei seinem Auszug aus der ehelichen Wohnung in H zurückgelassenen Rundfunkgeräte im streitbefangenen Zeitraum, das heißt nach Beendigung des Lastschrifteinzugs vom ursprünglich angegebenen Konto Mitte des Jahres 2004 weiter Rundfunkgebühren entrichtet hat. Der Beklagte hat vielmehr ausgeführt, dass eine Anmeldung der früheren Ehefrau unter Zugrundelegung der seinerzeit gültigen Adresse nicht habe festgestellt werden können. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, dass sich der Sachverhalt so darstellen dürfte, dass der Widerspruch hinsichtlich des weiteren Lastschrifteinzugs, die Scheidung von seiner früheren Ehefrau und deren Umzug zu ihrem Lebensgefährten in zeitlichem Zusammenhang gestanden hätten, vermag auch dies den in der Praxis angenommenen Ausnahmetatbestand nicht zu erfüllen, so dass es insoweit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht bedarf. Denn durch diese Ausnahme soll verhindert werden, dass es für dieselben Rundfunkempfangsgeräte zu einer doppelten Erhebung von Rundfunkgebühren kommt.

Vgl. Gall, a.a.O.

Eine solche doppelte Erhebung von Rundfunkgebühren würde aber auch bei der vom Kläger angenommenen Sachlage nicht vorliegen. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass seine frühere Ehefrau zu ihrem Lebensgefährten gezogen sei und fortan keine eigenen Geräte mehr besessen habe. Dass für die früheren gemeinsamen Geräte ab Oktober 2004 doppelt Gebühren erhoben worden sind, ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

2. Die Höhe der für den streitbefangenen Zeitraum von Oktober 2004 bis einschließlich März 2009 festgesetzten Rundfunkgebühren begegnet keinen Bedenken. Die Höhe der monatlich in Ansatz gebrachten Rundfunkgebühr ergibt sich aus § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages in den Fassungen des Fünften, Achten und Elften Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge. Der Säumniszuschlag findet seine Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 WDR-Gebührensatzung. Die Geltendmachung der Rücklastschriftkosten beruht auf § 5 Abs. 3 WDR-Gebührensatzung.

3. Nur die Gebührenforderungen für den Zeitraum von Oktober 2004 bis einschließlich Dezember 2005 nebst der im Oktober 2004 angefallenen Rücklastschriftkosten waren im Zeitpunkt der Festsetzung bereits verjährt (unter a). Der Kläger hat sich hierauf auch berufen (unter b) und ist mit der Verjährungseinrede nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen (unter c).

a) Die Verjährung von Rundfunkgebühren ist durch Art. 5 Nr. 4 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages (8. RÄndStV, in Nordrhein-Westfalen am 8. März 2005 bekanntgemacht: GV.NRW.2005 S. 192) neu geregelt worden. Nach der seit dem 1. April 2005 geltenden Fassung des § 4 Abs. 4 RGebStV (im Folgenden: n.F.) richtet sich die Verjährung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die regelmäßige Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Demgegenüber verjährte der Anspruch auf Rundfunkgebühren nach § 4 Abs. 4 RGebStV in der bis zum 1. April 2005 geltenden ursprünglichen Fassung des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland (in Nordrhein-Westfalen am 20. November 1991 bekanntgemacht: GV.NRW.1991 S. 408 - im Folgenden: a.F.) in vier Jahren. Weder diese Bestimmung noch andere Regelungen des RGebStV normierten ausdrücklich, wann die vierjährige Verjährungsfrist zu laufen begann. Nach gefestigter Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ergab sich jedoch aus dem Sinn und Zweck sowie der Gesetzessystematik, dass die Frist des § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. grundsätzlich erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen begann, in dem der Beklagte oder die von ihm beauftragte Stelle Kenntnis von den die Gebührenschuld begründenden Tatsachen und der Person des Rundfunkteilnehmers erlangte, und dass deshalb angesichts der Besonderheiten der rundfunkgebührenrechtlichen Regelungen insoweit kein Raum für eine analoge Anwendung der Verjährungsvorschriften des BGB war.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2002 - 19 A 24/00 -, zitiert nach Juris (Rn. 24); OVG NRW, Beschluss vom 24. November 2009 - 8 E 246/09 -, S. 5 des Entscheidungsabdrucks.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind von den streitbefangenen Rundfunkgebühren lediglich diejenigen für den Teilzeitraum Oktober 2004 bis einschließlich Dezember 2005 bis zum Erlass des entsprechend § 53 Abs. 1 S. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) die Verjährung hemmenden Gebührenbescheides vom 2. Oktober 2009 verjährt.

Für die ab dem Inkrafttreten des 8. RÄndStV am 1. April 2005 entstandenen Gebührenforderungen gilt insoweit § 4 Abs. 4 RGebStV n.F. in Verbindung mit § 195 BGB. Die darin vorgesehene dreijährige Verjährungsfrist begann entsprechend § 199 Abs. 1 BGB frühestens mit dem Schluss des Jahres, in dem der jeweilige Gebührenanspruch entstanden ist und war daher für alle im Zeitraum von Januar 2006 bis März 2009 angefallenen Rundfunkgebühren bei Erlass des Gebührenbescheides vom 2. Oktober 2009 noch nicht abgelaufen. Hinsichtlich der Gebührenforderungen für den Zeitraum von April bis einschließlich Dezember 2005 begann die Verjährungsfrist nach dieser Vorschrift mit Ablauf des Jahres 2005. In diesem Jahr waren insoweit nicht nur die Zahlungsansprüche entstanden (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der Beklagte hatte damals auch bereits Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen - der Gebührenpflicht des bei ihm gemeldeten Klägers - und der Person des Klägers erlangt (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Erforderlich ist insoweit zwar neben der Kenntnis des Namens auch die der Anschrift des Schuldners.

Vgl. Ellenberger in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Aufl., § 199 Rn. 35; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1997 - VI ZR 408/96 -, NJW 1998, 988 (989).

Auch die aktuelle Anschrift des Klägers hatte der Beklagte beziehungsweise die von ihm beauftragte GEZ jedoch bis zum Schluss des Jahres 2005 erfahren. Denn die Stadt H hatte der GEZ unter dem 6. Juni 2005 eine Vollauskunft ihres Einwohnerwesens übersandt, in der neben dem Wegzug des Klägers aus H am 1. Juni 2000 auch dessen neue Adresse in Spanien angegeben war. Die Auskunft war selbsterklärend: Als "WOHNUNG" ist die frühere Anschrift des Klägers in H verzeichnet und mit dem Vermerk "*WEG*" versehen. Unter "LÖSCHDAT" wird dieser Wegzug näher erläutert. Er erfolgte danach am 1. Juni 2000 und zwar nach "Spanien, Q". Die dreijährige Verjährungsfrist endete daher hinsichtlich der Gebührenforderungen für den Zeitraum von April bis einschließlich Dezember 2005 mit Ablauf des Jahres 2008, so dass diese Forderungen bei Erlass des Gebührenbescheides vom 2. Oktober 2009 bereits verjährt waren.

Gleiches gilt für die vor dem Inkrafttreten des 8. RÄndStV am 1. April 2005 entstandenen streitbefangenen Gebührenforderungen. Sie waren nach der eingangs dargestellten obergerichtlichen Rechtsprechung bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht (nach altem Recht) verjährt, da die GEZ beziehungsweise der Beklagte damals noch nicht die aktuelle Anschrift des Klägers kannte. Die aktuelle Anschrift des Rundfunkteilnehmers gehörte aber auch nach altem Recht zu den für den Beginn der Verjährungsfrist des § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. maßgeblichen Tatsachen, weil erst deren Kenntnis die Rundfunkanstalt in die Lage versetzt, die Gebührenforderung gegenüber dem Rundfunkteilnehmer geltend zu machen. Dies lässt sich zum einen aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 RGebStV schlussfolgern, wonach der Landesrundfunkanstalt auch ein Wohnungswechsel unverzüglich anzuzeigen ist, und entspricht zum anderen - wie gesehen - der im Zivilrecht vertretenen Auffassung zum Beginn der kenntnisabhängigen Verjährungsfrist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. November 2009 - 8 E 246/09 -, S. 8 des Entscheidungsabdrucks.

Auf diese Forderungen findet hinsichtlich ihrer Verjährung ebenfalls § 4 Abs. 4 n.F. RGebStV in Verbindung mit § 195 BGB Anwendung. Dies ergibt sich aus den mangels einer speziellen rundfunkgebührenrechtlichen Regelung entsprechend heranzuziehenden Überleitungsvorschriften des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), die insoweit Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. November 2009 - 8 E 246/09 -, S. 6 des Entscheidungsabdrucks; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2007 - 2 S 290/07 -, zitiert nach Juris (Rn. 9).

Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB lässt sich entnehmen, dass die Neuregelung der Verjährung auf die am Tag des Inkrafttretens bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung findet. Ist die Neuregelung der Verjährungsfrist kürzer als die bis zu diesem Tag geltende Fassung, so wird die Verjährung vom Tag des Inkrafttretens der Neuregelung an berechnet (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass eine Abkürzung der Verjährungsfrist durch ein neues Verjährungsrecht dazu führen könnte, dass die kürzere neue Frist am Tag des Inkrafttretens der Neureglung bereits abgelaufen ist. Davor soll der Gläubiger geschützt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. November 2009 - 8 E 246/09 -, S. 6 des Entscheidungsabdrucks; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2007 - 2 S 290/07 -, zitiert nach Juris (Rn. 10).

Läuft jedoch die in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmte längere Frist früher als die in der Neuregelung bestimmten Frist ab, so ist die Verjährung mit Ablauf der in der früheren Fassung der Verjährungsregelung bestimmte Frist vollendet (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Bei dem daher anzustellenden Fristenvergleich ist zu beachten, dass die Verjährungsfrist nur dann nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am Tag des Inkrafttretens der Neuregelung beginnt, wenn auch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. November 2009 - 8 E 246/09 -, S. 6 f. des Entscheidungsabdrucks; BGH Urteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06 -, NJW 2007, 1584 (1586 Tz. 20 ff.).

Bei späterer Kenntnis beginnt die Verjährungsfrist entsprechend § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des betreffenden Jahres.

Vgl. Ellenberger in: Palandt, a.a.O. Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 6 a.E.; Schmidt-Räntsch in: Erman, Bürgerliches Gesetzbuch - Handkommentar, 12. Aufl., Anh Vor § 194 Rn. 9.

Davon ausgehend endete die Verjährungsfrist auch hinsichtlich der streitbefangenen Gebührenforderungen, die vor dem 1. April 2005 entstanden sind, mit Ablauf des Jahres 2008 und damit vor Erlass des Gebührenbescheides vom 2. Oktober 2009. Entsprechend Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB gilt insoweit grundsätzlich § 4 Abs. 4 RGebStV n.F. Da die neue Verjährungsfrist von drei Jahren kürzer ist als die alte Vierjahresfrist, ist Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB einschlägig. Mangels damaliger Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB begann die Dreijahresfrist des § 195 BGB allerdings noch nicht entsprechend Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 1. April 2005, sondern gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres 2005, in dem der Beklagte infolge der Mitteilung der Stadt H von der aktuellen Anschrift des Klägers Kenntnis erlangte. Die sich daraus ergebende Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2008 lief auch nicht länger als die sich bei Anwendung des § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. ergebende Verjährungsfrist ab, was zur Folge hätte, dass die Verjährung entsprechend Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB bereits zu jenem Zeitpunkt vollendet gewesen wäre. Denn auch diese Vierjahresfrist des § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. begann nach der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung erst mit dem Schluss des Jahres 2005, in dem der Beklagte infolge der Mitteilung der Stadt H Kenntnis von der aktuellen Anschrift des Klägers erlangte und hätte daher erst mit Ablauf des Jahres 2009 geendet.

b) Der Kläger hat die Einrede der Verjährung, die somit hinsichtlich der Gebührenforderungen im Teilzeitraum von Oktober 2004 bis einschließlich Dezember 2005 eingetreten war, auch erhoben. Eine solche Einrede dürfte bereits in dem Hinweis des Klägers in seinem Widerspruchsschreiben vom 16. Oktober 2009 darauf liegen, dass "bekannterweise bei Anspruch auf Zahlung von Kosten eine 3-jährige Verjährungsfrist gilt". Dies hat auch der Beklagte selbst im Widerspruchsbescheid ausdrücklich als Verjährungseinrede gewertet. Jedenfalls liegt sie in der Feststellung der "Verjährung der Forderung" in der Klageschrift.

c) Der Kläger kann sich auf den Eintritt der Verjährung auch berufen, obwohl er der ihn als ursprünglich angemeldeten Rundfunkteilnehmer treffenden Pflicht zur Anzeige des Endes des Bereithaltens von Rundfunkempfangsgeräten und des Wohnungswechsels (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 4 und 6 RGebStV) bis März 2009 nicht nachgekommen ist. Dabei kann die in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortete Frage, ob die Erhebung der Verjährungseinrede bei einem Verstoß gegen rundfunkgebührenrechtliche Anzeigepflichten allgemein eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellt,

- vgl. einerseits Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Mai 2010 - 7 ZB 09.2551 -, juris (Rn. 20); Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 LA 521/07 -, juris (Rn. 5 ff.); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2007 - 2 S 290/07 -, juris (Rn. 13); andererseits Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 30. November 2005 - 10 PA 118/05 -, juris (Rn. 14); offenlassend OVG NRW, Beschluss vom 24. November 2009 - 8 E 246/09 -, S. 9 des Entscheidungsabdrucks -

im vorliegenden Fall offenbleiben. Ein solcher Ausschluss der Verjährungseinrede begegnet allerdings vor dem Hintergrund Bedenken, dass das neue Recht ausdrücklich vorsieht, dass die Verjährung grundsätzlich erst nach Erlangung der Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners zu laufen beginnt (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, vgl. jedoch auch § 199 Abs. 4 BGB) und dies zumindest in Nordrhein-Westfalen - wie oben gesehen - auch schon für die alte Rechtslage galt, wodurch die Rundfunkanstalt unter Umständen ausreichend geschützt sein könnte.

Vgl. diese Frage aufwerfend, im Ergebnis aber verneinend: Gall in: Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, a.a.O., § 4 Rn. 58c.

Jedenfalls stellt die vom Kläger erhobene Verjährungseinrede keine unzulässige Rechtsausübung dar. Denn der Kläger hat nicht - wie in den Fällen, die den oben zitierten Beschlüssen zugrunde lagen - als "Schwarzseher" ohne Anzeige ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten und so verhindert, dass die Rundfunkanstalt Kenntnis vom ihr zustehenden Gebührenanspruch erhält und diese innerhalb der Verjährungsfrist festsetzt. Die Rundfunkgebührenpflicht des Klägers war der GEZ vielmehr aufgrund der erfolgten Anmeldung seit langem bekannt. Der Kläger hat nicht seine Pflicht zur Anzeige des Beginns des Bereithaltens von Rundfunkempfangsgeräten verletzt, sondern lediglich seine Pflicht zur Anzeige des Endes dieses Bereithaltens und des Wohnungswechsels. Ein Verstoß gegen rundfunkgebührenrechtliche Mitteilungspflichten kann die Annahme, die anschließende Verjährungseinrede stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, aber nur dann rechtfertigen, wenn er ursächlich für den Eintritt der Verjährung ist.

Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. März 2010 - 3 M 330/09 -, juris (Rn. 3); aber auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Mai 2010 - 7 ZB 09.2551 -, juris (Rn. 20); Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 21. April 2008 - 4 ME 122/08 -, juris (Rn. 10); Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 LA 521/07 -, juris (Rn. 7); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2007 - 2 S 290/07 -, juris (Rn. 13).

Dies ist hinsichtlich des Verstoßes des Klägers gegen die Pflicht zur Anzeige des Endes des Bereithaltens von Rundfunkempfangsgeräten grundsätzlich nicht ersichtlich, im vorliegenden Fall aber auch nicht hinsichtlich des Verstoßes gegen die Pflicht zur Mitteilung des Wohnungswechsels anzunehmen. Der Wohnungswechsel war für die Frage der Gebührenpflichtigkeit des Klägers im streitbefangenen Zeitraum ohne Bedeutung, da diese mangels Abmeldung feststand. Es lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Umstand, dass der Kläger der GEZ nicht seine neue Anschrift in Spanien mitgeteilt hatte, ursächlich dafür war, dass der Beklagte die Rundfunkgebühren für den Zeitraum von Oktober 2004 bis einschließlich Dezember 2005 gegen ihn nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2008 festgesetzt hat. Denn der GEZ war von der Stadt H, bei der sich der Kläger ordnungsgemäß umgemeldet hatte, bereits im Juni 2005 die Anschrift des Klägers in Spanien mitgeteilt worden, ohne dass dies zur Festsetzung der betreffenden Gebühren geführt hat.

Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O.

Jedenfalls ist es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, dem Rundfunkteilnehmer, der seine Pflicht zur Mitteilung einer neuen Adresse verletzt hat, die Verjährungseinrede als unzulässige Rechtsausübung zu verwehren, obwohl die Rundfunkanstalt tatsächlich anderweitig so rechtzeitig von der neuen Adresse Kenntnis erlangt hat, dass sie die Rundfunkgebühren ohne weiteres noch vor Eintritt der Verjährung hätte festsetzen können.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.