VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15.07.2010 - 16 K 199/09
Fundstelle
openJur 2011, 72859
  • Rkr:

Ein öffentliches Interesse an der Haftung eines gefährlichen Hundes i. S. v. § 4 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW kann auch darin liegen, dass ein drohender Tierheimaufenthalt vermieden wird.

Tenor

Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 8. Januar 2009 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die unter dem 13. Oktober 2008 beantragte Erlaubnis zum Halten des American-Staffordshire-Mischlings "D. " zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Seit Ende Mai/Anfang Juni 2008 hält die Klägerin den Hund "D. " in ihrer Wohnung. Am 9. Juni 2008 zeigte sie diesen Hund als Boxer-Mischling bei dem Beklagten an. Da diesem in der Folgezeit Zweifel an der Rasse des Hundes gekommen waren, bat er die Klägerin am 26. August 2008 um Vorstellung des Hundes beim Amtsveterinär zur Phänotypbestimmung. Auf diese Phänotypbestimmung verzichtete die Klägerin, da sie nunmehr selbst wisse, dass es sich um einen American-Staffordshire-Terrier-Mischling handele. Daraufhin forderte der Beklagte die Klägerin am 22. September 2008 auf, bis zum 10. Oktober 2008 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes gemäß § 3 Abs. 2 des Landeshundegesetzes Nordrhein-Westfalen (LHundG NRW) zu stellen und die hierfür erforderlichen Nachweise zu erbringen.

Am 13. Oktober 2008 stellte die Klägerin einen solchen Antrag. Des Weiteren reichte sie einen Sachkundenachweis und einen Nachweis über das Bestehen einer Hunde-Haftpflichtversicherung ein. Das Führungszeugnis der Klägerin vom 21. Oktober 2008 weist keine Eintragungen auf. Zu den Modalitäten des Erwerbs führte die Klägerin gegenüber dem Beklagten aus, dass sie den Hund "D. " als Geschenk von ihrem Freund, Herrn I. F. , als Welpen geschenkt erhalten habe. Dieser habe bei einem Treffen mit Freunden in Oberhausen einen Bekannten getroffen, der Jemanden mitgebracht habe, der den Hund besessen habe. Der Vorbesitzer habe angegeben, dass er den Hund, den er als Boxer-Mischling bezeichnet habe, wegen einer Tierhaarallergie nicht behalten könne. Da der Hund auch wie ein Boxer-Mischling ausgesehen habe, habe ihr Freund das Tier gekauft. Trotz Nachforschungen habe er vom Verkäufer des Hundes lediglich dessen Vornamen herausfinden können.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2009 lehnte der Beklagte - nach vorheriger Anhörung - den Antrag der Klägerin auf Erlaubnis zur Haltung des American-Staffordshire-Mischlings "D. " ab (Ziffer I.). Gleichzeitig untersagte er ihr die Haltung dieses Hundes (Ziffer II.1.). Der Beklagte ordnete an, dass der Hund bis spätestens zum 20. Januar 2009 im Tierheim H. unterzubringen sei. Alternativ könne der Hund auch an Personen abgegeben werden, die im Besitz einer gültigen Erlaubnis nach § 4 LHundG NRW seien. Diese Voraussetzungen seien vor Abgabe durch den Beklagten zu überprüfen (Ziffer II.2.). Der Beklagte verpflichtete die Klägerin, bis zum 22. Januar 2009 einen schriftlichen Nachweis über den Verbleib des Hundes vorzulegen (Ziffer II.3.). Ferner untersagte er ihr die Haltung und Betreuung aller gefährlichen Hunde im Sinne von § 3 LHundG NRW, aller Hunde bestimmter Rassen im Sinne des § 10 LHundG NRW sowie aller großen Hunde im Sinne von § 11 LHundG NRW (Ziffer III.). Außerdem drohte er ihr für den Fall der nicht rechtzeitigen Abgabe des Hundes die Anwendung des unmittelbaren Zwanges in Form der Wegnahme des Hundes an. Gleichzeitig drohte er die Ersatzvornahme durch Transport und Unterbringung im Tierheim an. Für den Fall, dass die Klägerin den American-Staffordshire-Terrier-Mischling an eine andere Person abgeben sollte, die nicht im Besitz einer gültigen Erlaubnis ist oder nicht vor Abgabe durch den Beklagten überprüft wurde, drohte dieser der Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro an. Für den Fall, dass die Klägerin den Verbleib des Hundes bis zum 22. Januar 2009 nicht oder nicht ausreichend nachweisen sollte, drohte der Beklagte ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro an. Für den Fall, dass die Klägerin weiterhin Hunde im Sinne der §§ 3,10 oder 11 LHundG NRW halten sollte, drohte der Beklagte der Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro an.

Zur Begründung der Ablehnung der Haltungserlaubnis für den Hund "D. " führte der Beklagte aus, dass für die Klägerin weder ein privates noch ein öffentliches Interesse an der Haltung eines gefährlichen Hundes i.S.d. § 3 Abs. 2 LHundG NRW bestehe. Ein privates Interesse bestehe beispielsweise, wenn der Hund aufgrund seiner Ausbildung oder Abrichtung eine besondere Funktion erfülle, die ohne unverhältnismäßig hohen Aufwand nicht auf andere Art und Weise durch andere Hunde erfüllt werden könne. Eine solche Situation habe die Klägerin nicht dargetan. Darüber hinaus fehle es auch an einem öffentlichen Interesse an der Haltung des Hundes "D. ". Der Hund sei nachweislich nicht aus einem Tierheim oder einer vergleichbaren Einrichtung an die Klägerin vermittelt worden. Bei der Übernahme eines Hundes von einer Privatperson liege ein öffentliches Interesse nicht vor. Darüber hinaus sei die Erlaubnis zu versagen, da die Klägerin unzuverlässig sei. Sie habe den Hund wissentlich ohne die erforderliche Haltererlaubnis gehalten und - statt eine solche Erlaubnis einzuholen - lediglich die Haltung eines Boxer-Mischlings angezeigt.

Die Untersagung der weiteren Haltung des Hundes "D. " begründete der Beklagte damit, dass der Klägerin eine Erlaubnis zum Halten dieses Hundes versagt worden sei. Die Abgabe des Hundes sei anzuordnen, da die Haltung dieses Hundes durch die Klägerin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Der Nachweis über den weiteren Verbleib des Hundes sei zur Abwendung einer bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich, um sicherzustellen, dass das Tier nicht lediglich "entfernt" werde, und weil weitere Nachforschungen über den tatsächlichen Verbleib nur mit sehr großem Aufwand und auch dann nur mit geringen Erfolgsaussichten möglich seien.

Die Untersagung der Haltung aller Hunde i.S.d. § 3, 10 und 11 LHundG NRW begründete der Beklagte damit, dass die Klägerin durch ihr Verhalten in der Vergangenheit gezeigt habe, dass sie bestimmte Haltungsanforderungen nicht erfülle. So habe sie sich etwa als nicht zuverlässig erwiesen.

Die Androhung des unmittelbaren Zwangs in Form der Wegnahme des Hundes und gleichzeitig der Ersatzvornahme in Form des Transportes und der Unterbringung des Hundes im Tierheim sei erforderlich, weil dieses Vorgehen das zur Zweckerreichung mildeste Mittel sei. Die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall, dass der Hund an eine andere Person abgegeben wird, die nicht im Besitz einer gültigen Erlaubnis ist, oder dass der Hund an solch eine Person abgegeben wird, ohne diese zuvor dem Beklagten zur Prüfung zu melden, sei angemessen. Hierbei seien die möglichen Konsequenzen einer Weitergabe an nicht befugte Personen zu berücksichtigen. Auch der Höhe nach sei das angedrohte Zwangsgeld angemessen. Insbesondere müsse es auch einen möglichen Kaufpreis des Hundes übersteigen, um der Pflicht zur vorherigen Anzeige der Abgabe des Hundes an eine dritte Person den nötigen Nachdruck zu verleihen. Auch die Pflicht zur Vorlage eines Nachweises zum Verbleib des Hundes müsse mit einem Zwangsgeld belegt werden, da aufgrund des bisherigen Verhaltens der Klägerin nicht davon auszugehen sei, dass diese den Forderungen ohne Zwang nachkommen werde. Auch die Zwangsgeldandrohung für den Fall der weiteren Haltung von gefährlichen und großen Hunden sowie Hunden der in § 10 LHundG NRW bestimmten Rassen sei erforderlich, da die Klägerin offensichtlich ohne entsprechenden Druck dieser Pflicht nicht nachkommen werde.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 14. Januar 2009 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor: Sie sei nicht unzuverlässig. Insbesondere könne ihr in diesem Zusammenhang nicht die unzutreffende Anzeige des Hundes "D. " als Boxer-Mischling angelastet werden. Sie habe - wie sie bereits ausgeführt habe und nunmehr auch durch eine schriftliche Erklärung ihres Freundes vom 13. März 2009 belegen könne - den Hund von diesem als Boxer-Mischling geschenkt bekommen. Zum Zeitpunkt der Schenkung habe der Hund auch das Äußere eines Boxerwelpen gehabt. Zur Untermauerung dessen legt die Klägerin ein mit ihrem Mobiltelefon aufgenommenes Foto des Hundes vor. Auch ihre Mutter, die über eine lange Erfahrung in der Hundehaltung verfüge, habe den Hund als Boxer angesehen. Farbe und Zeichnung sowie die Kopfform des Hundes hätten im Juni 2008 klar für einen Boxer gesprochen. Ferner legt die Klägerin eine tierärztliche Bescheinigung der Tierärztin Dr. X. aus I. vom 16. Januar 2009 vor, der der Hund am 6. Juni 2008 vorgestellt worden war. Frau Dr. X. bestätigt darin, dass zu diesem Zeitpunkt der Welpe das äußere Erscheinungsbild eines Boxerwelpen gehabt habe.

Außerdem erfülle sie auch die weiteren Erlaubnisvoraussetzungen für die Haltung von "D. ". Insbesondere liege ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung dieses Hundes vor. Diese sei aus Gründen des Tierschutzes erforderlich. Anderenfalls stehe "D. " ein Aufenthalt im Tierheim von unbestimmter Dauer bevor. Der Landesgesetzgeber habe in seinen Verwaltungsvorschriften den Tierschutz als öffentliches Interesse anerkannt. Daher bestehe regelmäßig ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung eines Hundes, wenn dieser aus einem Tierheim oder einer vergleichbaren Einrichtung an eine Privatperson vermittelt worden sei. Hinter dieser Regelung stehe der Gedanke, dem Hund eine Unterbringung in einem Tierheim zu ersparen und ihm stattdessen eine artgerechte Haltung zu ermöglichen.

Die Klägerin beantragt,

die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 8. Januar 2009 aufzuheben, und den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Erlaubnis zur Haltung des Hundes "D. " - Chip-Nr. 000000000000000 - zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Verwaltungsvorgänge und die Begründung der angegriffenen Verfügung.

Mit Beschluss vom 1. April 2009 - 16 L 42/09 - hat die Kammer auf Antrag der Klägerin die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage hinsichtlich der Ziffern II. bis IV. der Ordnungsverfügung vom 8. Januar 2009 wiederhergestellt und hinsichtlich der Ziffer VI. dieser Ordnungsverfügung angeordnet. Im Übrigen hat die Kammer den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 16 L 42/09 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat insgesamt Erfolg.

Soweit die Klägerin die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung des Hundes "D. " begehrt, ist die Klage als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2. Fall der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Diese Klage ist auch begründet, da die Ablehnung der Erlaubnis rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung dieser Erlaubnis.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 LHundG NRW wird eine Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes nur erteilt, wenn die den Antrag stellende Person das 18. Lebensjahr vollendet hat (Nr. 1), die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit besitzt (Nr.2), in der Lage ist, den Hund sicher an der Leine zu halten und zu führen (Nr.3), sicherstellt, dass die der Ausbildung, dem Abrichten oder dem Halten dienenden Räumlichkeiten, Einrichtungen und freien Anlagen eine ausbruchsichere und verhaltensgerechte Unterbringung ermöglichen (Nr. 4), den Abschluss einer besonderen Haftpflichtversicherung (Nr.5) und die fälschungssichere Kennzeichnung des Hundes (Nr. 6), nachweist. Da es sich bei dem Hund "D. " um einen American-Staffordshire-Terrier-Mischling und damit um einen gefährlichen Hund im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW handelt, wird die Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW des weiteren nur erteilt, wenn ein besonderes privates Interesse nachgewiesen wird oder ein öffentliches Interesse einer weiteren Haltung besteht.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin, geboren am 0. August 0000, hat das 18. Lebensjahr vollendet. Ihre Sachkunde hat sie durch die erfolgreiche Ablegung der Sachkundeprüfung am 6. November 2008 nachgewiesen. Auch sieht die Kammer keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Klägerin in der Lage ist, den Hund sicher an der Leine zu halten und zu führen. Darüber hinaus hat die Klägerin bestätigt, dass der Hund ausbruchsicher und artgerecht untergebracht ist. Ferner hat die Klägerin den Nachweis über eine bestehende Tierhalterhaftpflichtversicherung bei der B. Haustier-Versicherung AG zum 9. Juni 2008 nachgewiesen. Bereits aus dem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Halten des Hundes vom 13. Oktober 2008 ergibt sich, dass der Hund "D. " mit einem fälschungssicheren Micro-Chip gekennzeichnet ist.

Die Klägerin verfügt auch über die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LHundG NRW erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 7 LHundG NRW. Unzuverlässig ist, wer nach seinem Verhalten nicht die Gewähr dafür bietet, in Zukunft seine Pflichten aus dem LHundG NRW als verantwortungsvoller Hundehalter zu erfüllen. Ausweislich ihres Führungszeugnisses vom 21. Oktober 2008 ist die Klägerin strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten, so dass unter diesem Aspekt keine Zweifel an der Zuverlässigkeit der Klägerin bestehen können. Eine Unzuverlässigkeit der Klägerin kann auch nicht dadurch begründet werden, dass diese durch eine vorsätzlich falsche Anzeige des Hundes "D. " als Boxer-Mischling schwerwiegend gegen die Vorschriften des LHundG NRW (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 LHundG NRW) verstoßen hätte. Denn aufgrund des Vorbringens der Klägerin kann die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Anzeige des Hundes "D. " wusste, dass es sich bei diesem um einen American Staffordshire Terrier-Mischling handelte. Allein aus dessen äußerem Erscheinungsbild war dies damals nicht erkennbar. Die Tierärztin Dr. X. hat attestiert, dass der Hund am 6. Juni 2008 bei einer Vorstellung in der Praxis das äußere Erscheinungsbild eines Boxer-Welpen aufgewiesen habe. In diese Richtung weist auch das Foto, das die Klägerin unmittelbar nach Erhalt des Hundes von diesem aufnahm. Hiermit stimmt auch die Einlassung der Mutter der Klägerin, Frau T. , überein, die den Hund ebenfalls als Boxer-Welpen eingeordnet hatte. Aufgrund dieser in Bezug auf das äußere Erscheinungsbild übereinstimmenden Befunde geht die Kammer davon aus, dass der Hund von seinem Phänotyp her im Juni 2008 als Boxer-Welpe eingeordnet werden konnte.

Auch aufgrund der Umstände des Erwerbs musste der Klägerin nicht bekannt sein, dass "D. " ein American-Staffordshire-Terrier-Mischling ist. Die Klägerin hat vorgetragen, "D. " von ihrem Freund, Herrn F. , als Boxer-Mischling geschenkt bekommen zu haben. Zwar bestehen aufgrund der Bekundungen des Herrn F. Unklarheiten über den Erwerb des Hundes. An einigen Stellen ist die Schilderung des Erwerbsvorgangs lückenhaft. So nennt Herr F. in seinem Schreiben vom 13. März 2009 weder ein genaues Kaufdatum noch den genauen Namen seines Verkäufers sowie dessen Anschrift in Oberhausen. Auch scheint der Kaufpreis für den Hund, eine Tankfüllung, ungewöhnlich niedrig. Gleichwohl kann aus diesen Unklarheiten noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass der Hund nicht als Boxer-Welpe, sondern als American Staffordshire Terrier-Mischling an Herrn F. verkauft wurde. Dafür, dass Herrn F. die tatsächliche Abstammung des Hundes aufgedeckt wurde, gibt es keine Anhaltspunkte.

Nach alledem kann die Anzeige des Hundes mit einer falschen Rasseangabe nicht als Anhaltspunkt dafür herangezogen werden, dass die Klägerin in Zukunft ihren Pflichten als Hundehalterin nicht nachkommen wird.

Ferner besteht ein öffentliches Interesse an der weiteren Hundehaltung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW. Ein solches öffentliches Interesse kann sich auch aus Gründen des Tierschutzes ergeben, vgl. Ziffer II 4.2 der Verwaltungsvorschriften zum LHundG NRW (Runderlass des Ministeriums für Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz -VI-7-78.01.052- vom 2. Mai 2003). Dies lässt sich nicht nur mit der besonderen, auch verfassungsrechtlich (Art. 20a GG) abgesicherten Bedeutung des Tierschutzes begründen. Es entspricht auch dem klaren Willen des Landesgesetzgebers. Dieser sah ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien ein öffentliches Interesse an der weiteren Hundehaltung aus Gründen des Tierschutzes ausdrücklich etwa dann für gegeben an, wenn ein Hund aus einem Tierheim oder einer vergleichbaren Einrichtung an eine Privatperson vermittelt werden soll.

Landtagsdrucksache 13/2387, Seite 22, vorletzter Absatz.

Die in den Gesetzgebungsmaterialien wiedergegebenen Situationen, in denen der Tierschutz ein öffentliches Interesse an der weiteren Hundehaltung begründen kann, sind nur beispielhaft. Dass die Klägerin den Hund vorliegend nicht aus einem Tierheim oder einer vergleichbaren Einrichtung erworben hat, steht somit der Annahme eines öffentlichen Interesses nicht entgegen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber einen Tierheimaufenthalt nach Möglichkeit aus Gründen des Tierschutzes generell vermeiden wollte. Ein solcher Heimaufenthalt kann im vorliegenden Fall am sichersten dadurch vermieden werden, dass der Hund "D. " bei der Klägerin belassen wird. Hinzu kommt, dass die Klägerin, wenn sie "D. " ins Tierheim geben müsste, ihn umgehend wieder aus dem Tierheim rückübernehmen dürfte, da sie - wie ausgeführt - die Haltungsvoraussetzungen für diesen Hund erfüllt. In diesem Fall läge aber ein Erwerb des Tieres aus dem Tierheim vor, für den der Landesgesetzgeber aus Gründen des Tierschutzes - wie ausgeführt - ein öffentliches Interesse an der weiteren Tierhaltung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW bejaht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2010 - 5 B 159/10 -.

Der Annahme eines öffentlichen Interesses steht vorliegend auch nicht eine bewusste Umgehung des § 4 Abs. 2 LHundG NRW entgegen. Eine solche könnte beispielsweise vorliegen, wenn ein Hundehalter sich wissentlich einen gefährlichen Hund im Sinne von § 3 LHundG NRW verschafft und sich später zur Begründung eines öffentlichen Interesses an der weiteren Hundehaltung auf einen drohenden Tierheimaufenthalt dieses Hundes beruft.

Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. März 2009 - 7 A 11077/08 -, juris, Rn. 7.

Eine solche bewusste Umgehung liegt jedoch hier - wie ausgeführt - nicht vor. Der Klägerin ist nicht nachweisbar, dass sie bei Erhaltung des Hundes Kenntnis davon hatte, dass es sich um einen American Staffordshire Terrier-Mischling handelte. Aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Hundes erscheint vielmehr glaubhaft, dass sie diesen tatsächlich für einen Boxer-Mischling hielt.

Soweit die Klägerin die Aufhebung der übrigen Regelungen der Ordnungsverfügung vom 8. Januar 2009 begehrt, ist die Klage als Anfechtungsklage zulässig und begründet. Diese Regelungen sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Untersagung der weiteren Haltung des Hundes "D. " (Ziffer II.1.) hat der Beklagte auf § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW gestützt. Nach dieser Norm soll das Halten eines gefährlichen Hundes untersagt werden, wenn ein schwerwiegender Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetz getroffener Anordnungen vorliegen, die Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt sind, eine erforderliche Erlaubnis nicht innerhalb einer behördlich bestimmten Frist beantragt oder eine Erlaubnis versagt wurde. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wie bereits dargelegt kann die Anzeige des Hundes "D. " als Boxer-Mischling nicht als schwerwiegender Verstoß gegen das LHundG NRW gewertet werden, da zum Zeitpunkt der Anzeige der Hund das äußere Erscheinungsbild eines Boxer-Welpen hatte und der Klägerin daher abgenommen werden kann, dass sie die wahre Rasse des Hundes nicht kannte. Auch die übrigen alternativen Untersagungstatbestände des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW liegen nicht vor. Insbesondere sind aus den genannten Gründen die Voraussetzungen zur Haltung des Hundes "D. " durch die Klägerin erfüllt.

Da die Haltungsuntersagung rechtswidrig ist, durfte der Beklagte auch die Abgabe des Hundes nicht gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW anordnen (Ziffer II.2.). Demgemäß ist auch die auf § 12 Abs. 1 LHundG NRW gestützte Verpflichtung, den Verbleib des Hundes bis zum 22. Januar 2009 nachzuweisen (Ziffer II.3.), rechtswidrig.

Auch die Untersagung der Haltung aller gefährlichen Hunde im Sinne von § 3 LHundG NRW, von Hunden bestimmter Rassen im Sinne des § 10 LHundG NRW sowie von großen Hunden im Sinne des § 11 LHundG NRW (Ziffer III.) ist rechtswidrig. Auf § 12 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW lässt sie sich nicht stützen, da bereits die Haltung des Hundes "D. " nach § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW nicht hätte untersagt werden dürfen.

Die Zwangsgeldandrohungen sind aufgrund der Rechtswidrigkeit ihrer entsprechenden Grundverfügungen ebenfalls rechtswidrig und daher aufzuheben. Darüber hinaus sind die angedrohten Zwangsgelder unter den Ziffern VI.1 und VI.3 unangemessen hoch. Die Kammer hält für den Regelfall ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro für angemessen. Mit Blick darauf, dass die Höhe des Zwangsgeldes im Ermessen des Beklagten steht, dürfte auch die Androhung eines Zwangsgeldes von 1.000,00 Euro noch vertretbar sein. Diese Androhung eines Zwangsgeldes von 5.000,00 Euro oder 2.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung - hier Abgabe des Hundes an eine dritte Person ohne deren vorherige Prüfung durch den Beklagten bzw. Haltung eines Hundes gemäß §§ 3, 10 oder 11 LHundG NRW - ist jedoch unangemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 i.V.m. mit Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat bislang nicht entschieden, ob die Vermeidung eines zukünftigen Tierheimaufenthalts ein öffentliches Interesse i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW begründen kann.