LAG Köln, Urteil vom 19.11.2009 - 7 Sa 879/09
Fundstelle
openJur 2011, 70408
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 Ca 2805/08

Der arbeitsvertragliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf Überlassung eines dienstlichen Kfz zur auch privaten Nutzung kann nicht dadurch erfüllt werden, dass ihm sein Arbeitgeber, ein Bestattungsunternehmer, einen Leichenwagen zur Verfügung stellt.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 12.05.2009 in Sachen

6 Ca 2805/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 12.05.2009 in Sachen

6 Ca 2805/08 teilweise wie folgt abgeändert:

Der gegen die Abmahnung vom 17.03.2009, betreffend die Rufumleitung einer Telefonnummer des Beklagten, gerichtete Klageantrag wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger

20 %, dem Beklagten 80 % auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im fortbestehenden Arbeitsverhältnis um Ansprüche auf die und aus der Überlassung eines Dienstfahrzeuges zur Privatnutzung, die korrekte Vergütung für die Monate Januar und Februar 2009 sowie die Forderung des Klägers auf Entfernung diverser Abmahnungen aus März und April 2009 aus seiner Personalakte.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu veranlasst haben, der Klage weitgehend stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen arbeitsgerichtlichen Urteils vom 12.05.2009 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 29.06.2009 zugestellt. Der Kläger hat hiergegeben vom 29.07.2009 Berufung einlegen und diese zugleich begründen lassen.

Dem Beklagten wurde das arbeitsgerichtliche Urteil am 27.06.2009 zugestellt. Der Beklagte hat am 27.07.2009 Berufung einlegen lassen und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am Montag, dem 28.09.2009 begründen lassen.

Der Kläger beanstandet an dem arbeitsgerichtlichen Urteil, dass das Arbeitsgericht seinem Klageantrag zu 3. auf Überlassung eines Firmen-Pkw zur privaten Nutzung nur in der Fassung des zweiten Hilfsantrags stattgegeben habe. Zwar hätten die Parteien keine konkrete Abrede über die Art des dem Kläger auch zur Privatnutzung zustehenden Firmen-Pkw getroffen. Die entsprechende Abrede sei jedoch durch Auslegung zu ermitteln und habe der zwischen den Parteien praktizierten über achtjährigen tatsächlichen Handhabung zu entsprechen. Während der gesamten Überlassungszeit sei ihm, dem Kläger, ein Fahrzeug im Wert von 25.000,00 € zur Verfügung gestellt worden. Das grundsätzlich der Beklagten zustehende Bestimmungsrecht über die Art des zur Verfügung zu stellenden Fahrzeuges müsse nach oben wie nach unten begrenzt werden. Die Begrenzung nach unten sei geboten, da ihm, dem Kläger, ansonsten ein zu geringer Wert für seine Arbeitsleistung zufließe. Die Überlassung eines unangemessen teuren Fahrzeuges könne dagegen zu einer steuerlichen Belastung führen, die den Nutzungsvorteil im Ergebnis weit übersteige.

Zugleich klageändernd beantragt der Kläger und Berufungskläger zu 2 nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 12.05.2009 insoweit abzuändern, als der Beklagte zu verurteilen sei, dem Kläger einen Pkw mit einem Listenpreis zwischen 20.000,00 € und 30.000,00 € zur privaten Nutzung zu überlassen, wobei es sich bei dem Fahrzeug nicht um einen Leichenwagen handeln dürfe.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Im Rahmen seiner eigenen Berufung beantragt der Beklagte und Berufungskläger zu 1,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 12.05.2009 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, der auf den 30.04.1998 datierte "Kraftfahrzeugüberlassungsvertrag" sei in Wirklichkeit erst am 21.03.2001 zustande gekommen. Dabei sei es der Kläger gewesen, der den Vertrag in Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt selbst entworfen habe. Auf einer Betriebsversammlung an einem der darauffolgenden Tage habe der Kläger auch der übrigen Belegschaft bekannt gegeben, dass die private Nutzung von Dienstfahrzeugen nicht gestattet sei, und diese zur Unterzeichnung einer entsprechenden Blankovereinbarung veranlasst. Die Zeugin W habe dann die Verträge eingesammelt und in die Personalakten eingelegt. Hintergrund der Vereinbarung und der Rückdatierung sei gewesen, dass bis dahin der Kläger ein Dienstfahrzeug des Beklagten habe nutzen können, ohne dass dies steuerlich berücksichtigt worden sei. Die Rückdatierung sei erfolgt, um die entgegenstehende bislang geübte Praxis auch nachträglich zu bereinigen und einen legalen Zustand herzustellen.

Die auf den 30.04.1998 datierte Vereinbarung sei somit in Wirklichkeit jünger als die Vereinbarung vom 20.03.2000 und ändere diese ab.

Weiter behauptet der Beklagte, es sei betriebliche Praxis gewesen, dass die Mitarbeiter die Dienstfahrzeuge ausschließlich dienstlich hätten nutzen dürfen. Dies hätte auch für den Kläger gegolten. Dies lasse sich schon daraus ableiten, dass der Kläger immer dann, wenn er im Bereitschaftsdienst ein Fahrzeug des Beklagten mit nach Hause genommen habe, um nicht erst zu den Geschäftsräumen zur Abholung eines Dienstfahrzeuges fahren zu müssen, Belege über die gefahrenen Kilometer ausgefüllt und genau vermerkt habe, welche dienstliche Veranlassung die einzelnen Fahrten gehabt hätten.

Der Beklagte behauptet weiter, der Kläger habe das Fahrzeug ohne sein Wissen und seine Erlaubnis tatsächlich bis zum 21.11.2008 privat genutzt.

Gehe man, so der Beklagte, davon aus, dass dem Kläger doch ein Dienstwagen zur privaten Nutzung zugestanden hätte, so sei es jedenfalls seinem, des Beklagten, Gutdünken überlassen, um welches Fahrzeug es sich hierbei zu handeln habe. Auch die Einschränkung, dass kein Leichenwagen zu überlassen sei, sei nicht gegeben, da es sich bei einem V ebenfalls immerhin um einen Transporter handele.

Zum Thema "geldwerter Vorteil" führt der Beklagte im Einzelnen aus, dass er den geldwerten Vorteil in seinen Nachtragsabrechnungen für das Jahr 2008 und auch für das Jahr 2009 korrekt ermittelt habe.

Darüber hinaus macht der Beklagte im Einzelnen Ausführungen dazu, warum die verschiedenen streitigen Abmahnungen berechtigt gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, Ende März 2000 sei ihm vereinbarungsgemäß ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt worden, den er auch privat habe nutzen dürfen. Es habe sich damals um einen eigens für ihn angeschafften G gehandelt, der bei der Zulassung ein Wunschkennzeichen erhalten habe, welches aus seinen, des Klägers, Initialen und seinem Geburtsjahr bestanden habe. In der Folgezeit habe er, der Kläger das Dienstfahrzeug absprachegemäß auch privat nutzen können. Es sei wenig glaubhaft, dass dem Beklagten dies über fast neun Jahre hinweg verborgen geblieben sein soll. Der Beklagte habe fast täglich gesehen, wie er, der Kläger, morgens mit dem Dienstwagen zur Arbeit gekommen und abends mit dem Wagen wieder nach Hause gefahren sei. Während seines Urlaubs habe der Dienstwagen mit einer einzigen, besonders abgesprochenen Ausnahme regelmäßig in der Garage des Klägers gestanden und nicht auf dem Betriebsgelände. Zwar habe er, der Kläger, auf Wunsch des Beklagten dann, wenn er an Wochenenden Bereitschaftsdienst zu verrichten gehabt habe, die bei dieser Gelegenheit anfallenden Dienstfahrten im Einzelnen aufgeschrieben. Die Anfangskilometerstände zwischen den einzelnen Bereitschaftsdiensten hätten jedoch extreme Abweichungen aufgewiesen, die insbesondere dadurch zu erklären gewesen seien, dass er morgens mit seinem Dienstfahrzeug zur Arbeit erschienen und abends mit dem Dienstfahrzeug nach Hause gefahren sei. Auch die Mitarbeiter B , S und M hätten mit Erlaubnis des Beklagten ihre Dienstfahrzeuge privat nutzen können.

Zum Zustandekommen der nach Darstellung des Beklagten rückdatierten Vereinbarung vom 30.04.1998 erklärt der Kläger: In dem vom Beklagten angegebenen Zeitraum im Jahre 2001 habe bei dem Beklagten eine große Besorgnis wegen einer anstehenden Steuerüberprüfung bestanden. Der Beklagte habe u. a. befürchtet, dass er mit Unannehmlichkeiten wegen der steuerlichen Behandlung von Dienstfahrzeugen rechnen müsste. Auch wenn er, der Kläger, nur noch eine vage Erinnerung an die Vorgänge habe, könne es sein, dass er in diesem Zusammenhang beauftragt gewesen sei, zusammen mit einem Rechtsanwalt Schriftstücke zu erstellen, die man Steuerprüfern vorlegen könne, um solche Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Gleichwohl gebe der Vertragstext vom "30.04.1998" nur das wieder, was von den Parteien mündlich für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum 20.03.2000 vereinbart gewesen sei. In dieser Zeit habe er nämlich in der Tat kein Dienstfahrzeug zur Privatnutzung zur Verfügung gehabt, sondern im Gegenteil habe er sein Privatfahrzeug auch für Dienstfahrten eingesetzt und hierfür vom Beklagten eine Entschädigung erhalten.

Widersprüchlich und auch inhaltlich nicht nachvollziehbar seien auch die Nachtragsabrechnungen des Beklagten für das Jahr 2008 und 2009, dies um so mehr, als ihm ein Dienstwagen zur privaten Benutzung nur bis zum 21.11.2008 zur Verfügung gestanden habe und dann entzogen worden sei.

Ferner hält der Kläger die streitgegenständlichen Abmahnungen weiterhin für rechtsunwirksam und meint, das Arbeitsgericht habe den Beklagten zutreffend zur Entfernung dieser Abmahnungen aus seiner Personalakte verurteilt.

Ergänzend wird auf die Einzelheiten der beiderseitigen Berufungsbegründungs- und -erwiderungsschriften, den Schriftsatz des Beklagten vom 21.10.2009 sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Bonn hat dem ursprünglichen Klageantrag zu 3. zu Recht nur in der Form des zweiten Hilfsantrags stattgegeben [hierzu näher bei der Berufung des Beklagten]. Auch der in der Berufungsinstanz neu formulierte Hauptantrag des Klägers konnte keinen Erfolg haben.

1. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass ihm der Beklagte einen Pkw mit einem Listenpreis zwischen 20.000,00 € und 30.000,00 € zur Privatnutzung zu überlassen hat.

a. Wie der Kläger selbst einräumen muss, haben die Parteien in der ersten Zusatzvereinbarung vom 20.03.2000 zum Arbeitsvertrag vom 23.03.1998 keine Festlegung darüber getroffen, welcher Art das Kraftfahrzeug zu sein hat, das der Arbeitgeber dem Kläger zur dienstlichen sowie zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen hat.

b. Haben die Parteien eine solche Festlegung nicht getroffen, obliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Arbeitgebers, was für ein Fahrzeug er dem Arbeitnehmer zur auch privaten Nutzung zur Verfügung stellt. Dabei hat der Arbeitgeber die berechtigten Interessen beider Vertragsteile angemessen zu berücksichtigen. Die Art des dem Arbeitnehmer im beiderseitigen Einvernehmen erstmals zur Verfügung gestellten Fahrzeugs stellt zwar ein wichtiges Indiz dafür dar, welche Art von Fahrzeug dem "Geist" des Fahrzeugüberlassungsvertrages entspricht. Daneben können aber auch noch weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein, wie z. B. die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Höhe seines sonstigen Einkommens, aber unter Umständen auch wirtschaftliche und/oder organisatorische Interessen des Arbeitgebers.

c. Eine Festlegung darauf, dass es sich nur um ein Fahrzeug handeln dürfe, dessen Listenpreis in der Spannbreite zwischen 20.000,00 € und 30.000,00 € liegt, ist danach nicht möglich. Auch ein Fahrzeug, dessen Wert je nach den Umständen geringfügig unter oder geringfügig über der vom Kläger genannten Spannbreite liegt, kann im Einzelfall noch den Anforderungen genügen. Bei einem Fahrzeug, dessen Wert mehr um das doppelte über dem Wert des einvernehmlich ausgewählten Erstfahrzeugs liegt, dürfte dies allerdings kaum der Fall sein.

2. Den Anspruch des Klägers auf Überlassung eines Dienstfahrzeugs zur auch privaten Nutzung kann der Beklagte allerdings nicht dadurch erfüllen, dass er dem Kläger einen sog. Leichenwagen zur Verfügung stellt. In Anbetracht des Stellenwerts eines solchen Fahrzeugs in der allgemeinen Verkehrsanschauung ist es dem Kläger nicht zumutbar, ein solches Fahrzeug für sich und seine Angehörigen in seiner Freizeit privat zu nutzen. Dies bedarf zur Überzeugung des Berufungsgerichts keiner näheren Vertiefung.

II.A. Die Berufung des Beklagten ist zwar gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG insgesamt statthaft und wurde auch nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

1. Dennoch ist die Berufung des Beklagten bereits unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von je 3.655,88 € brutto abzüglich tatsächlich gezahlter Nettobeträge und zuzüglich eingeklagter Zinsen für die Monate Januar und Februar 2009 (Urteilstenor Ziffern 3. und 4.) wendet. In der Berufungsbegründung und in seinem weiteren Schriftsatz vom 21.10.2009 geht der Beklagte zwar auf die Themen "Kfz-Nutzung", "kein Leichenwagen", "geldwerter Vorteil" und "Abmahnungen" ein, nicht jedoch auf die Gehaltsansprüche für die Monate Januar und Februar 2009. Eine Berufung, die zwar den Urteilstenor angreift, sich mit dem entsprechenden Streitgegenstand in der Begründung jedoch nicht auseinandersetzt, ist unzulässig.

2. Wäre die Berufung des Beklagten insoweit nicht bereits unzulässig, wäre sie jedenfalls unbegründet. Auch in der Berufungsinstanz sind die vom Beklagten vorgelegten Korrekturabrechnungen für die Monate Januar und Februar 2009 in den Einzelheiten ihrer Positionen nicht nachvollziehbarer geworden.

B. Soweit die Berufung des Beklagten zulässig ist, ist sie jedoch – mit der sich aus dem Tenor des Berufungsurteils ergebenden Ausnahme hinsichtlich einer der Abmahnungen vom 17.03.2009 – weitgehend unbegründet.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht befunden, dass dem Kläger auf der Grundlage der ersten Zusatzvereinbarung vom 20.03.2000 zum Arbeitsvertrag vom 23.03.1998 ein Anspruch darauf zusteht, dass ihm der Beklagte ein Kraftfahrzeug zur dienstlichen sowie zur privaten Nutzung zur Verfügung stellt. Die Angriffe des Beklagten gegen diesen Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils überzeugen nicht.

a. Zutreffend ist, dass die Parteien im Laufe ihres Arbeitsverhältnisses zum Thema "Privatnutzung eines dienstlichen Kfz" zwei inhaltlich gegensätzliche, nicht miteinander vereinbare schriftliche Verträge in die Welt gesetzt haben, nämlich zum einen den vorgenannten Vertrag vom 20.03.2000, der dem Kläger ausdrücklich das Recht auf ein Kraftfahrzeug zur dienstlichen wie auch privaten Nutzung zugesteht, zum anderen den sog. Kraftfahrzeugüberlassungsvertrag, der auf den 30.04.1998 datiert wurde und zum Inhalt hat, dass das Dienstfahrzeug "ausschließlich zur dienstlichen Benutzung" bestimmt ist. Stehen zwei sich auf dasselbe Vertragsverhältnis beziehende Vereinbarungen inhaltlich in unvereinbarem Gegensatz zueinander, so gilt grundsätzlich das altrömische Rechtsprinzip, wonach im Zweifel der jüngere Vertrag den älteren ablöst (lex posterior derogat legi priori). Nach der äußeren Form der beiden gegensätzlichen Vereinbarungen ist danach der Vertrag vom 20.03.2000 maßgeblich, der dem Kläger das Recht auf ein Dienstfahrzeug zur privaten Nutzung zugesteht.

b. Am Ergebnis ändert sich daran auch dadurch nichts, dass der auf den 30.04.1998 datierte Fahrzeugüberlassungsvertrag in Wirklichkeit im März 2001 zustande gekommen und dann auf den "30.04.1998" zurückdatiert worden sein mag.

aa. In Anbetracht seiner Ausführungen im Schriftsatz vom 09.11.2009 hat der Kläger zuletzt nicht mehr hinreichend bestritten, dass der auf den "30.04.1998" datierte "Vertrag" in Wirklichkeit erst im März 2001 aufgesetzt, unterschrieben und rückdatiert wurde.

bb. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der auf den "30.04.1998" datierte Vertrag inhaltlich dasjenige wiedergibt, was nach dem Willen der Parteien aus der Sicht der Ausfertigung des Schriftstücks im März 2001 für die Zukunft gelten sollte. Das setzte nämlich voraus, dass mit dem Abschluss des "Vertrages" im März 2001 die vorangegangene Vereinbarung vom 20.03.2000 gleichzeitig aufgehoben werden sollte. Hierfür findet sich jedoch kein hinreichender Anhaltspunkt:

(1) Eine schriftliche Aufhebung des Vertrages vom 20.03.2000 existiert nicht. Vergleicht man die augenscheinlich im März 2001 produzierte Urkunde mit der Urkunde vom 20.03.2000, so wird für den objektiven Beobachter gerade der Eindruck aufrecht erhalten, dass nach dem sog. Ablösungsprinzip für die Zeit nach dem 20.03.2000 allein die in der Zusatzvereinbarung von diesem Tage niedergelegten Regelungen gelten sollten.

(2) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Regelung vom 20.03.2000 durch die im März 2001 auf den "30.04.1998" rückdatierte "Vereinbarung" mit Wirkung für die Zukunft konkludent aufgehoben werden sollte. Auch hiergegen sprechen durchgreifende Gesichtspunkte:

(2.1) So hat der Kläger einen plausiblen Grund für das Zustandekommen und die Rückdatierung des im März 2001 produzierten Schriftstückes dargelegt, in dem er ausgeführt hat, dass es sich lediglich um einen Scheinvertrag handeln sollte, dessen einziger Zweck darin bestanden habe, ihn im Rahmen der damals anstehenden Steuerprüfung den Finanzbehörden vorlegen zu können.

(2.2) Dass diese Behauptung des Klägers nicht "aus der Luft gegriffen" erscheint, belegt der Umstand, dass der Sachvortrag des Beklagten mittelbar in dieselbe Richtung tendiert, wenn der Beklagte ausführt: "Hintergrund der Vereinbarung und der Rückdatierung war, dass bis dato der Kläger ein Dienstfahrzeug des Beklagten nutzen konnte, ohne dass dies steuerlich berücksichtigt wurde (...) Die Rückdatierung erfolgte, um die entgegenstehende, bislang geübte Praxis auch nachträglich zu bereinigen und einen legalen Zustand herzustellen."

(2.3) Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass eine faktisch bis dahin "illegale" Handhabung nicht dadurch aus der Welt geschaffen werden kann, dass rückwirkend ein Schriftstück produziert wird, dass die bisherige Handhabung in einem anderen Licht erscheinen lässt. Deshalb macht auch die Einlassung des Beklagten im Klartext nur dann Sinn, wenn die bedeutet, dass das im März 2001 produzierte Schriftstück den Sinn haben sollte, den Finanzbehörden vorzuspiegeln, dass die bis dahin zwischen den Parteien geübte Praxis legal gewesen wäre. Hatte die Produktion eines scheinbar am 30.04.1998 geschlossenen Vertrages im März 2001 jedoch vornehmlich den Sinn, die Finanzbehörden zu täuschen, so sagt der Inhalt dieses Schriftstückes nicht unbedingt etwas darüber aus, was zwischen den Parteien in Zukunft gelten sollte.

(3) Ein weiterer gewichtiger Gesichtspunkt dafür, dass zwischen den Parteien auch für die Zeit nach März 2001 vereinbart war, dass der Kläger ein Dienstfahrzeug privat sollte nutzen dürfen, besteht darin, dass sich der Beklagte persönlich im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Bonn am 10.03.2009 ausdrücklich an eine Vereinbarung erinnern konnte, die dem Kläger einen Anspruch auf die private Nutzung eines Dienstwagens gab, offensichtlich aber nicht an eine gegenteilige Vereinbarung. Wörtlich hat der sich zum damaligen Zeitpunkt noch selbst vertretende Beklagte zu Protokoll des Arbeitsgerichts erklärt: "Die Vereinbarung bezüglich eines Dienstwagens, der dem Kläger auch zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen ist, ist richtig. Er sei bereit, dem Kläger einen solchen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Dienstwagen müsse zunächst aber noch besorgt werden. Morgen könne der Kläger mit einem der vorhandenen Fahrzeuge fahren." (Protokoll des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.03.2009).

(4) Auch die späteren schriftsätzlichen Einlassungen des Beklagten zur tatsächlichen Handhabung in der Zeit zwischen 2001 und Ende 2008 sind nicht dazu angetan, das Berufungsgericht davon zu überzeugen, dass zwischen den Parteien die Privatnutzung der Dienstwagen verboten gewesen sei.

(4.1) Einerseits lässt der Beklagte behaupten, der Kläger selbst habe im März 2001 im Betrieb für jedermann klar gestellt, dass die Privatnutzung der Dienstfahrzeuge für alle Mitarbeiter verboten sei. Andererseits behauptet der Beklagte, der Kläger habe das Fahrzeug V tatsächlich bis zum 21.11.2008 privat benutzt. Dies solle allerdings "ohne das Wissen und ohne Erlaubnis des Beklagten" geschehen sein.

(4.2) Der Kläger bestätigt ausdrücklich, die ihm zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeuge durchgehend privat genutzt zu haben, und führt hierzu aus, er sei – quasi vor den Augen des Beklagten – nahezu täglich mit dem Dienstfahrzeug von zu Hause zur Arbeit gekommen und von der Arbeit wieder nach Hause gefahren, er habe das Dienstfahrzeug im Urlaub, abgesehen von einer einzigen ausdrücklich abgesprochenen Ausnahme, stets mit nach Hause genommen und keineswegs auf dem Betriebsgelände hinterlassen, und dies alles lasse sich unschwer mit den Dokumentationen über die Dienstfahrten an Bereitschaftswochenenden in Einklang bringen, welche zwischen den einzelnen Bereitschaftsdiensten erhebliche Differenzen in den Anfangskilometerständen aufwiesen. Hierzu hat der Beklagte sich nicht näher eingelassen. Das Berufungsgericht nimmt es dem Beklagten nicht ab, dass der Kläger eine solche Praxis zwischen März 2001 und November 2008 hätte aufrecht erhalten können, ohne dass dies dem Beklagten aufgrund eigener Anschauung oder auf andere Weise bekannt geworden wäre.

(5) Letztlich machen auch die vom Beklagte nachträglich erstellten Korrekturabrechnungen für das Jahr 2008, bei denen nunmehr ein geldwerter Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens berücksichtigt wird, rechtlich nur dann Sinn, wenn es sich aus Sicht des Beklagten um eine letztlich berechtigte Privatnutzung handelte. Hierauf hat der Kläger zutreffend hingewiesen.

c. Bei alledem ist somit mit dem Kläger und dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass der Kläger auf der Grundlage des Vertrags vom 20.03.2000 weiterhin Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens zur auch privaten Nutzung hat.

2. Trifft dies zu, so kann der Kläger auch für die Zeit ab dem 21.11.2008, für die ihm der privat nutzbare Dienstwagen entzogen wurde, Ersatz für die entgangene Nutzungsmöglichkeit in Geld verlangen. Auch der Tenor zu 1. des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 12.05.2009 ist somit nicht zu beanstanden.

Dies gilt auch für die Höhe des angesetzten Betrages. Der Beklagte selbst hat ausgerechnet, dass bei der Privatnutzung des V ein monatlicher geldwerter Vorteil in Höhe von insgesamt 335,98 € anzusetzen gewesen sei. Dann ist aber nicht zu beanstanden, wenn der Kläger von 250,00 € pro Monat ausgeht.

3. Zutreffend ist das Arbeitsgericht des Weiteren davon ausgegangen, dass auch die ganz überwiegende Mehrzahl der dem Kläger in den Monaten März und April 2009 erteilten Abmahnungen rechtswidrig waren und demnach aus den Personalakten des Klägers zu entfernen sind. Eine Ausnahme stellt lediglich die Abmahnung vom 17.03.2009 dar, die sich darauf bezieht, dass der Beklagte seinerzeit eine eigenmächtige Rufumleitung der Telefonnummer 90991661 auf sein Handy vorgenommen hatte. Diese Abmahnung ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts sachlich und formell gerechtfertigt. Die Berufung des Beklagten war daher (nur) insoweit erfolgreich, als der Beklagte die Abweisung der auf Entfernung der Abmahnung vom 17.03.2009 zum Thema "Rufumleitung" gerichteten Abmahnung aus den Personalakten des Klägers begehrt.

Für die Vornahme einer solchen Rufumleitung einer Unternehmenstelefonnummer auf das Privathandy ist eine Rechtfertigung schlechthin nicht ersichtlich. Die Einlassung des Klägers, es habe sich hierbei um eine Maßnahme zum Testen der Anrufweiterleitungsfunktion gehandelt, erscheint nach Lage der Dinge derart unglaubhaft, dass das Berufungsgericht sie als Schutzbehauptung wertet. Der Kläger erläutert nicht nachvollziehbar, warum das Testen einer solchen Funktion überhaupt notwendig gewesen sein soll und wann und warum er hierzu den Auftrag erhalten hat. Um eine Anrufweiterleitungsfunktion zu testen, genügt es, die entsprechende Funktion einzuschalten, einen Testanruf vorzunehmen und zu beobachten, ob dieser ordnungsgemäß weitergeleitet wird. Warum aber die Rufumleitung dann nicht nur über Stunden, sondern über eine ganze Reihe von Tagen aufrechterhalten worden ist, entzieht sich jeder Erklärung.

4. Die übrigen Abmahnungen hat das Arbeitsgericht jedoch zutreffend als rechtswidrig gewertet und die Beklagte folgerichtig zu deren Entfernung aus der Personalakte des Klägers verurteilt. Im Einzelnen:

a. Die Abmahnung der Beklagten vom 17.03.2009 wegen der Teilnahme des Klägers am arbeitsgerichtlichen Gütetermin vom 10.03.2009 ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts offensichtlich rechtswidrig. Das Arbeitsgericht hatte seinerzeit sowohl für den Beklagten als auch für den Kläger das persönliche Erscheinen bei Gericht angeordnet. Dieser gerichtlichen Anordnung hat der Kläger Folge zu leisten. Dem Beklagten war die Anordnung bekannt. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei wird auch dem Gegner der Partei routinemäßig durch das Gericht mitgeteilt. Über dies hat der Beklagte selbst an dem Termin vom 10.03.2009 ebenso wie der Kläger teilgenommen. Der Beklagte wusste daher, wo der Kläger sich in den Stunden am Mittag des 10.03.2009, für die er sich vom Arbeitsplatz entfernt hatte, aufhielt. Dafür eine Abmahnung zu erteilen, grenzt an Willkür.

b. Auch die Berechtigung der weiteren Abmahnung vom 17.03.2009 wegen des Verlassens des Arbeitsplatzes am 11.02.2009 kann nicht aufrecht erhalten werden, weil es dem Beklagten nicht gelungen ist, den Abmahnungsvorwurf plausibel zu erklären. Der Kläger hat ausgeführt, er habe sich am 11.02.2009 für den Nachmittag frei genommen, weil sein Sohn sich einer Operation habe unterziehen müssen. Da er seinerzeit noch für die Urlaubsplanung im Betrieb zuständig gewesen sei, habe er sich hierfür einen halben Tag Urlaub eingetragen. Die vom Beklagten angeführte Mitarbeiterin G sei erst am 17.02.2009 für die Urlaubseinteilung zuständig geworden.

Mit diesem Verteidigungsvortrag des Klägers hat sich der Beklagte nicht hinreichend substantiiert auseinander gesetzt. Weder hat der Beklagte angegeben, wann und in welcher Weise die Zeugin E für die Urlaubseinteilung zuständig wurde, noch wann genau sie überprüft haben will, ob ein halber Urlaubstag eingetragen war. Aus den Einlassungen des Beklagten geht jedenfalls hervor, dass im Ergebnis eine solche Eintragung erfolgt ist.

c. Unwirksam sind ferner die Abmahnungen vom 26.03.2009 und vom 14.04.2009 wegen Nichtherausgabe der dem Kläger überlassenen dienstlichen Kamera an den Kollegen S .

aa. Die beiden Abmahnungen erscheinen schon deshalb ungerechtfertigt, weil sie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Sie zerlegen ein inhaltlich zusammengehörendes Geschehen in zwei atomisierte Einzelvorgänge, um daraus zwei separate Abmahnungen zu machen. Das Verhalten des Klägers am Nachmittag des 25.03. und am Vormittag des 26.03.2009 steht erkennbar in einem einheitlichen Fortsetzungszusammenhang.

bb. Es ging seinerzeit dem Kläger erkennbar nicht darum, die Kamera überhaupt nicht herauszugeben, sondern er bezweifelte lediglich – ob zu Recht oder zu Unrecht – die Berechtigung des Kollegen S , die Kamera heraus zu verlangen. Am 26.03.2009 hat der Kläger die Kamera an Frau E unstreitig herausgegeben.

cc. Mag man in dem Verhalten des Klägers eine gewisse Überreaktion auf die Anweisung des Beklagten sehen, nur noch für ihn persönlich zu arbeiten, sich bei ihm persönlich abzumelden und Urlaub nur bei ihm persönlich zu beantragen, so mag dies berechtigter Weise eine Klarstellung der Reichweite dieser Anweisungen nach sich ziehen. Eine einer Abmahnung zugängliche Vertragsverletzung liegt darin jedoch nicht, schon gar nicht eine solche, die es gerechtfertigt hätte, aus einem einheitlichen Vorgang gleich zwei Abmahnungen zu konstruieren.

d. Die Berechtigung der Abmahnung vom 02.04.2009 wegen der Missachtung der Anweisung, ein Fahrtenbuch zu führen, hat der Beklagte ebenfalls nicht nachvollziehbar darlegen können. Der Sachvortrag des Beklagten zur Rechtfertigung dieser Abmahnung ist bereits widersprüchlich. Während der Beklagte nämlich in der Berufungsinstanz vorträgt, dass sich die Anweisung, ein Fahrtenbuch zu führen, auf alle Dienstfahrten mit Dienstfahrzeugen bezogen habe, nicht aber auf Privatfahrten, da solche ja nicht genehmigt gewesen seien, heißt es in der Abmahnung selbst: "Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, dient der korrekten Abrechnung von Privatfahrten mit dem Firmenfahrzeug (...)"

e. Schließlich kann auch die weitere Abmahnung vom 02.04.2009 wegen angeblicher Pflichtverstöße des Klägers bei der Personalaktenführung keinen Bestand haben. Der in der Abmahnung aufgeführte Abmahnungsvorwurf hat keine nachvollziehbare Grundlage in der Wirklichkeit.

aa. Aus dem Umstand, dass eine Zeugin W Ende März 2009 in der Personalakte des Klägers die Dienstwagenvereinbarung vom März 2000 nicht gefunden haben will, schließt der Beklagte, der Kläger müsse für deren "Verschwinden" verantwortlich sein. "Verschwindet" ein Schriftstück aus einer Akte, so ist nicht nur einseitig zu fragen, wer für die Aktenführung als solche zuständig ist, sondern wer tatsächlichen Zugang zu der Akte hat. Jeder, der tatsächlichen Zugang zu einer Akte hat, ist nämlich auch in der Lage, Schriftstücke aus der Akte zu entnehmen.

bb. Zu der Frage, wer alles Zugang zu der Personalakte des Klägers hatte und hat, hat sich der Beklagte in keiner Weise substantiiert eingelassen.

cc. Aus seinem sonstigen Sachvortrag geht aber mehrfach hervor, dass insbesondere auch die Zeugin W offenbar schon im Jahr 2001 im Umgang mit den Personalakten der Mitarbeiter vertraut war, heißt es doch im Schriftsatz des Beklagten vom 21.10.2009, es sei die Zeugin W gewesen, die im März 2001 die auf Initiative des Klägers neu gestalteten "Kraftfahrzeugüberlassungsverträge" "eingesammelt und in die Personalakten abgelegt" habe. Wieso dann aber ausschließlich nur der Kläger dafür verantwortlich gemacht werden kann, welche Schriftstücke sich in seiner Personalakte befinden und welche nicht, erschließt sich objektiv in keiner Weise.

Demnach war zu entscheiden wie geschehen.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision in der Entscheidung über den vorliegenden speziell gelagerten Einzelfall ist nicht ersichtlich.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

Dr. Czinczoll Steinhilper Eberz

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