OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.2008 - 19 A 1863/06
Fundstelle
openJur 2011, 58381
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es betreffend die Zahlungsaufforderungen in den Rundfunkgebührenbescheiden des Beklagten vom 3. April 2003 und vom 5. Januar 2004 in Höhe von 536,11 EUR in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Im Óbrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil wird geändert. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin und ihr Ehemann meldeten 1992 unter ihrer damaligen Anschrift in N. beim Beklagten ein Radio und ein Fernsehgerät an. Im April 1994 rügten sie unter erstmaliger Angabe ihrer beider Doktortitel schriftlich die Schreibweise ihrer Namen in der letzten Rechnung und gaben eine Anschrift in E. an. Sie stellten ihre Zahlungen Anfang 1994 ein. Mit Bescheid vom 2. Juni 1998 setzte der Beklagte gegen beide Eheleute rückständige Rundfunkgebühren für den Zeitraum von Juli 1995 bis März 1998 in Höhe von 862,15 DM fest. Der Zugang dieses Bescheides ist streitig.

Durch weiteren, allein an die Klägerin gerichteten Gebührenbescheid vom 3. April 2003 setzte der Beklagte gegen sie rückständige Rundfunkgebühren für den Zeitraum von Juli 1998 bis Januar 2003 in Höhe von 1.541,74 EUR, einen Säumniszuschlag in Höhe von 5,00 EUR sowie Rücklastschriftkosten in Höhe von 3,45 EUR fest und forderte sie zur Zahlung von insgesamt also 1.550,19 EUR auf. Dagegen erhob die Klägerin unter dem 6. Mai 2003 Widerspruch und trug vor, die Ansprüche aus dem Zeitraum von Juli 1998 bis Dezember 1998 seien verjährt. Sie leistete am 2. Juni 2003 eine Zahlung in Höhe von 872,10 EUR und am 17. November 2003 eine weitere Zahlung in Höhe von 80,75 EUR.

Für den Zeitraum von Februar 2003 bis Oktober 2003 setzte der Beklagte mit Gebührenbescheid vom 5. Januar 2004 rückständige Rundfunkgebühren in Höhe von 145,35 EUR und einen Säumniszuschlag in Höhe von 5,00 EUR fest und forderte sie zur Zahlung von insgesamt also 150,35 EUR auf. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, ihre Umzüge Ende 1993 von N. nach E. und 1996 innerhalb E1. habe sie dem Beklagten jeweils mitgeteilt. Mit ihren Zahlungen im Jahr 2003 habe sie die Gebührenansprüche aus dem Zeitraum von 1999 bis 2003 getilgt. Ihrem Tilgungsbestimmungsrecht stehe das Satzungsrecht des Beklagten nicht entgegen. Am 24. Februar 2004 leistete die Klägerin eine weitere Zahlung in Höhe von 24,07 EUR. Im 2. Quartal 2004 nahm sie auch die regelmäßige Zahlungen an den Beklagten wieder auf.

Der Beklagte wies die beiden Widersprüche der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2004, abgeschickt am 4. März 2004, zurück und führte aus, eingehende Zahlungen würden zunächst auf die Kosten und dann auf die jeweils älteste Gebührenschuld verrechnet. Die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung sei wegen unzulässiger Rechtsausübung unzulässig. Der Beklagte habe die alten Forderungen nicht früher geltend machen können, weil Mitteilungen an die Klägerin unzustellbar gewesen seien.

Die Klägerin hat am 2. April 2004 Klage erhoben. Sie hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertiefend vorgetragen, ihr Leistungsbestimmungsrecht könne nicht durch eine Satzung ausgeschlossen werden. Die entsprechende Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch dürfe auf diese Weise nicht umgangen werden. Zudem könne eine Verrechnung nicht mit verjährten Forderungen erfolgen, weil sonst die Verjährungsregelung ausgehebelt würde. Ein Gebührenbescheid vom 2. Juni 1998 sei ihr nicht bekannt.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 4. Mai 2004 seinen Bescheid vom 3. April 2003 aufgehoben, soweit rückständige Rundfunkgebühren für den Zeitraum von Juli 1998 bis Dezember 1998 festgesetzt worden sind und der festgesetzte Betrag insgesamt 758,82 Euro überschreitet. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Gebührenbescheide des Beklagten vom 3. April 2003 und vom 5. Januar 2004 in der

Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 1. März 2004 und der schriftsätzlichen Änderung vom 4. Mai 2004 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Bescheid vom 3. April 2003 sei auf 758,82 EUR reduziert worden, weil die Gebührenansprüche aus dem Zeitraum von Juli 1998 bis Dezember 1998 im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides verjährt gewesen seien und dieser zudem an einem Rechenfehler gelitten habe. Im Übrigen seien die angefochtenen Bescheide (Gesamtbetrag: 909,17 EUR) rechtmäßig. Die Gebührenansprüche seien nicht in vollem Umfang durch Erfüllung erloschen, weil die von der Klägerin bis zum 24. Februar 2004 veranlassten Zahlungen in Höhe von insgesamt 976,82 EUR (richtig: 976,92 EUR) teilweise mit den aus dem Zeitraum vom Juli 1995 bis März 1998 stammenden Ansprüchen in Höhe von umgerechnet 440,81 EUR (862,15 DM) zu verrechnen seien. Dies gelte nach § 7 der WDR- Satzung auch bei einer abweichenden Leistungsbestimmung. Diese auf § 4 Abs. 7 RGebStV gestützte Verrechnungsvorschrift sei verfassungsgemäß. Der Grundsatz des Tilgungsbestimmungsrechts des Schuldners sei disponibel. Abgesehen davon seien die rückständigen Rundfunkgebühren mit dem Bescheid vom 2. Juni 1998 festgesetzt worden. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Klägerin diesen Bescheid erhalten habe.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage, soweit nicht die Hauptsache erledigt war, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte habe die im Jahr 2003 veranlassten Zahlungen der Klägerin gemäß § 7 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren mit den nicht erfüllten Gebührenansprüchen aus dem Zeitraum von Juli 1995 bis März 1998 verrechnen können. Diese Satzungsbestimmung schließe das Tilgungsbestimmungsrecht des Schuldners wirksam aus. Die Klägerin könne dieser Verrechnung nicht die Einrede der Verjährung entgegen halten. Denn dabei handele es sich um ein Leistungsverweigerungsrecht. Von diesem habe sie gerade nicht Gebrauch gemacht, indem sie auf die bestehende Schuld gezahlt habe. Aufgrund des Zwecks der Rundfunkgebühr sei es auch interessengerecht, dass sich der Rundfunkteilnehmer der Gebührenpflicht nicht alleine dadurch entziehen könne, dass er einfach nicht zahle.

Die Klägerin begründet ihre vom Senat zugelassene Berufung im Wesentlichen wie folgt: § 4 Abs. 7 RGebStV enthalte keine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die "Ausschaltung" von Tilgungsbestimmungsrechten. Diese Vorschrift beziehe sich nach ihrem Wortlaut nicht auf die materielle Seite der Gebührenerhebung. § 366 Abs. 1 BGB greife im Privatrecht nur dann nicht, wenn die Parteien eine Tilgungsreihenfolge individualvertraglich vereinbart hätten; entsprechende formularmäßige Klauseln seien unwirksam. Eine diesen ähnliche Satzung könne den allgemeinen Rechtsgrundsatz des § 366 Abs. 1 BGB nicht umgehen. Die in Rede stehende Satzungsbestimmung sei willkürlich und verstoße gegen Grundrechte. Sie sei mit den Besonderheiten eines Massenverfahrens nicht zu rechtfertigen. Auch einer Anstalt des öffentlichen Rechts müsse es möglich sein, Tilgungsbestimmungen zu berücksichtigen. Sie habe deutlich gemacht, dass sie nur auf die konkret bezeichneten (neueren) Forderungen und gerade nicht auf die bereits verjährten Forderungen geleistet habe. Es stelle sich die Frage, ob sie dadurch bereits konkludent die Verjährung geltend gemacht habe. Der Tatbestand der eingetretenen und geltend gemachten Verjährung sei aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit dem Zweck der Rundfunkgebühr übergeordnet.

In der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat der Senat gegenüber der Klägerin angeregt, ihr Klagebegehren dahin zu präzisieren, dass es sich von Anfang an nur gegen die Zahlungsaufforderungen in den angefochtenen Bescheiden richtete, und die Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen. Der Beklagte hat anerkannt, dass die streitbefangenen Zahlungsaufforderungen im Zeitpunkt des Ergehens seines Widerspruchsbescheides in Höhe von 536,11 EUR rechtswidrig waren. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und festzustellen, dass die Zahlungsaufforderungen in den Rundfunkgebührenbescheiden des Beklagten vom 3. April 2003 und vom 5. Januar 2004 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 1. März 2004 und der schriftsätzlichen Änderung vom 4. Mai 2004 in Höhe von 373,06 EUR rechtswidrig gewesen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend §§ 92 Abs. 3 Satz 1, 125 Abs. 1 VwGO einzustellen; die erstinstanzliche Entscheidung ist insoweit wirkungslos (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

Im Übrigen ist die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sie ist nach der Umstellung des Berufungsantrags in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage sind ausschließlich die Zahlungsaufforderungen in den angefochtenen Bescheiden, nicht aber auch die entsprechenden Festsetzungen von Gebühren, Säumniszuschlägen und Rücklastschriftkosten. In diesem Sinn hat die Klägerin ihr Klagebegehren durch die Fassung ihres Berufungsantrags in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung zutreffend präzisiert. In dieser Erklärung liegt lediglich eine Klarstellung, nicht aber eine Teilrücknahme ihres Rechtsmittels. Denn ihre Klage richtete sich von Anfang an nur gegen die Zahlungsaufforderungen. Dies ergibt eine Auslegung ihrer Rechtsschutzanträge am Maßstab des § 88 VwGO. Nach dieser Vorschrift darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Klageanträge nicht gebunden. Danach ist es hier unerheblich, dass ihr ursprünglicher Klageantrag seinem Wortlaut nach eine Beschränkung auf die Zahlungsaufforderungen nicht enthielt. Maßgeblich ist vielmehr das erkennbare Rechtsschutzziel der Klägerin, das ausweislich ihres gesamten Vorbringens im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren von Anfang an ersichtlich darin bestand, den Gebührenansprüchen aus dem Zeitraum von Januar 1999 bis Oktober 2003 den Gesichtspunkt der Erfüllung durch Zahlung entgegenzuhalten. Dieser rechtliche Gesichtspunkt betrifft ausschließlich die Zahlungsaufforderungen, aber nicht die Entstehung der Gebührenansprüche nach Grund und Höhe, die Gegenstand der Gebührenfestsetzungen ist. Die Festsetzung bildet lediglich den Rechtsgrund für die Leistung. Dieser Rechtsgrund entfällt nicht mit der Erfüllung des Gebührenanspruchs.

BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1983 - 8 C 43.81 -, juris, Rdnr. 18; zur Auslegung des Rechtsschutzbegehrens vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 - 6 ZB 99.202 -, juris, Rdnr. 4.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage mit diesem Streitgegenstand ist zulässig. Die angefochtenen Zahlungsaufforderungen haben sich während der Rechtshängigkeit der Anfechtungsklage durch die regelmäßigen Quartalszahlungen nach und nach erledigt, die die Klägerin seit Februar 2004 wieder aufgenommen hat. Mit diesen Zahlungen hat die Klägerin entgegen ihrer Annahme nämlich nicht die Gebührenforderungen für das jeweilige Quartal getilgt, sondern die jeweils älteste noch offene Gebührenforderung aus der Vergangenheit. Das ergibt sich aus § 7 der Satzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren des Westdeutschen Rundfunks Köln (WDR-Satzung) vom 18. November 1993 (GV. NRW. 2004, S. 245), wie der Senat sogleich noch näher darlegen wird. Das berechtige Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich aus einer Wiederholungsgefahr. Sie muss auch künftig mit entsprechenden Zahlungsaufforderungen des Beklagten rechnen, weil sie unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung die streitigen Gebührenforderungen aus der Vergangenheit fortlaufend „vor sich herschiebt".

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unbegründet. Die Zahlungsaufforderungen in den Bescheiden des Beklagten vom 3. April 2003 und vom 5. Januar 2004 waren in der letzten Fassung in Höhe von 373,06 EUR rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 5 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages, wonach die zuständige Landesrundfunkanstalt die Rundfunkgebührenschuld durch Bescheid festsetzt. Die Vorschrift ist Ermächtigungsgrundlage zugleich auch für eine Zahlungsaufforderung an den Rundfunkteilnehmer. Ihre Voraussetzung, das Bestehen einer Rundfunkgebührenschuld, ist im vorliegenden Fall erfüllt. Insbesondere war die den Zahlungsaufforderungen zugrunde liegende Rundfunkgebührenschuld für den Zeitraum von Januar 1999 bis Oktober 2003 im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides in Höhe der noch streitigen 373,06 EUR nicht durch Erfüllung erloschen.

Die Zahlungen in Höhe von insgesamt 976,92 EUR bewirkten nämlich zum Teil eine Verrechnung mit den Gebührenansprüchen aus dem Zeitraum von Juli 1995 bis März 1998 in Höhe von 862,15 DM (umgerechnet: 440,81 EUR). Im Übrigen, also in Höhe von 536,11 EUR, trat durch diese Zahlungen Verrechnung mit den Gebührenansprüchen aus dem Zeitraum von Januar 1999 bis Oktober 2003 (Gesamtbetrag: 909,17 EUR) ein.

Die Verrechnung folgt aus § 7 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren in seiner unverändert gebliebenen Ursprungsfassung vom 18. November 1993 (im Folgenden: WDR-Satzung). Nach dieser Vorschrift werden Zahlungen zunächst auf die Kosten im Zusammenhang mit rückständigen Rundfunkgebühren, dann auf die Säumniszuschläge und dann auf die jeweils älteste Rundfunkgebührenschuld verrechnet. Dies gilt auch dann, wenn der Rundfunkteilnehmer eine andere Bestimmung trifft. § 7 Satz 1 WDR-Satzung ist wirksames Satzungsrecht. Diese Bestimmung kann sich auf eine gesetzliche Rechtsgrundlage stützen (I.1.) und steht mit höherrangigem Recht in Einklang (I.2.). Es bedurfte daher keiner näheren Überprüfung, ob und mit welchem Inhalt die Klägerin die in Rede stehenden Zahlungen tatsächlich mit Tilgungsbestimmungen versehen hatte. Einer Verrechnung ihrer bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides geleisteten Zahlungen mit den Gebührenansprüchen aus dem Zeitraum von Juli 1995 bis März 1998 steht eine etwaige Verjährung dieser Ansprüche nicht entgegen. § 7 Satz 1 WDR-Satzung bewirkt eine Verrechnung nämlich grundsätzlich auch mit verjährten Forderungen, es sei denn, der Gebührenschuldner erhebt spätestens bis zum Zeitpunkt der Zahlung die Einrede der Verjährung (II.). Die Klägerin hat die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Gebührenansprüche aus dem Zeitraum von Juli 1995 bis März 1998 nach diesen Maßstäben aber nicht rechtzeitig erhoben (III.). Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob insoweit Verjährung eingetreten ist, kommt es daher nicht an.

I.1. § 7 Satz 1 WDR-Satzung wird von der Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 7 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags - RGebStV - in seiner unverändert gebliebenen Ursprungsfassung vom 20. November 1991 gedeckt. Danach werden die Landesrundfunkanstalten ermächtigt, Einzelheiten des Verfahrens zur Leistung der Rundfunkgebühren einschließlich von Nachlässen bei längerfristiger Vorauszahlung und von Säumniszuschlägen durch Satzung zu regeln. Bei der Verrechnungsregelung des § 7 Satz 1 WDR-Satzung handelt es sich um eine solche Einzelheit des Leistungsverfahrens. Dass es sich insoweit um eine Regelung handelt, die wegen der mit der Verrechnung verbundenen Erfüllung unter anderem des jeweiligen Gebührenanspruchs materiellrechtliche Wirkung entfaltet, steht dieser Annahme entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht entgegen. Denn § 4 Abs. 7 Satz 1 RGebStV erfasst, wie sich aus der beispielhaften Erwähnung von Nachlässen bei längerfristiger Vorauszahlung ergibt, auch derartige Satzungsbestimmungen.

OVG Berlin, Urteil vom 19. November 1996 - 8 B 117.96 -, juris, Rdnr. 35; Gall, in: Hahn/Vesting, Beck´scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, RGebStV § 4 Rdnr. 128.

I.2. § 7 Satz 1 WDR-Satzung steht auch mit höherrangigem Recht in Einklang. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Der Einwand der Klägerin, eine Satzung könne den sich aus § 366 Abs. 1 BGB ergebenden allgemeinen Rechtsgrundsatz des Tilgungsbestimmungsrechts des Schuldners nicht umgehen, greift nicht durch. Dies folgt schon daraus, dass es, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, keinen im öffentlichen Recht unmittelbar geltenden (allgemeinen) Grundsatz des Inhalts gibt, wonach der Schuldner hinsichtlich mehrerer Schulden individuell bestimmen kann, welche Schuld er mit seiner Zahlung tilgen will. Das - grundsätzlich abdingbare - Tilgungsbestimmungsrecht des Schuldners im Sinne des § 366 Abs. 1 BGB ist Ausdruck der im Zivilrecht herrschenden Vertrags(inhalts)freiheit und kann im Recht der Rundfunkgebühren nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden. Die jeweiligen Rechtsverhältnisse haben nämlich keinen übereinstimmenden Grundcharakter. Die Rundfunkgebühren werden nicht aufgrund eines privatrechtlichen Anspruchs, sondern aufgrund einer öffentlichrechtlichen Abgabennorm gefordert. Das öffentliche Recht geht im Gegensatz zum Privatrecht aber gerade nicht von der Privatautonomie des Einzelnen (und des Staates) aus, und hat grundsätzlich zwingenden Charakter. Gegen die Annahme eines allgemeingültigen Leistungsbestimmungsrechts des Schuldners spricht auch, dass der Gesetzgeber das Tilgungsbestimmungsrecht des Steuerschuldners in § 225 Abs. 1 AO ausdrücklich geregelt hat; Entsprechendes gilt für die nordrheinwestfälischen Kommunalabgaben (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG NRW).

In diesem Sinne zu § 225 Abs. 1 AO: VG Frankfurt, Urteil vom 25. April 2005 - 10 E 3894/03 -, juris, Rdnr. 26.

II. Gemäß § 7 Satz 1 WDR-Satzung werden Zahlungen grundsätzlich auch dann mit der jeweils ältesten Rundfunkgebührenschuld verrechnet, wenn der entsprechende Gebührenanspruch verjährt ist; der Gebührenschuldner kann eine solche Verrechnung nur dadurch verhindern, dass er spätestens bis zum Zeitpunkt der Zahlung die Einrede der Verjährung erhebt. Der Wortlaut des § 7 Satz 1 WDR-Satzung differenziert nicht danach, ob der Gebührenanspruch verjährt ist. Er spricht mit der Bezugnahme auf "die jeweils älteste Rundfunkgebührenschuld" vielmehr für die Erstrechnung auch auf verjährte Ansprüche. Denn diese sind lediglich einredebehaftet, nicht aber erloschen. Auch Sinn und Zweck dieser Bestimmung, den Zahlungsverkehr im EDV-Massenverfahren zu erleichtern, sprechen für diese Auslegung. Denn der Verwaltungspraktikabilität kann die Verrechnung mit der ältesten verjährten Forderung ebenso wie mit der ältesten nicht verjährten Forderung jedenfalls dann dienen, wenn ein redlicher Gebührenschuldner wegen der ihm als "Gegenleistung" für die Gebühr gewährten Möglichkeit, das Rundfunkangebot durch Inbetriebnahme des bereit gehaltenen Empfangsgeräts zu nutzen, auch auf eine verjährte Forderung leisten möchte. Zudem steht der Ausschluss der verjährten Gebührenansprüche von der Verrechnungsregelung in § 7 Satz 1 WDR-Satzung und die damit einher gehende Berücksichtigung der Verjährung von Amts wegen mit dem Rechtscharakter der Verjährung im Rundfunkgebührenrecht nicht in Einklang. Diese Verjährung führt anders als etwa nach §§ 47, 232 AO nicht zu einem Erlöschen des Rechts; vielmehr berechtigt die Verjährung wie im Zivilrecht lediglich zur (dauernden) Leistungsverweigerung; dabei ist es in das Belieben des Gebührenschuldners gestellt, ob und in welchem Umfang er die Einrede der Verjährung erhebt.

Vgl. Gall, a.a.O., RGebStV § 4 Rdnr. 58, m.w.N.

Die Anwendung des § 7 Satz 1 WDR-Satzung auch auf verjährte Gebührenansprüche hat schließlich entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht zur Folge, dass die Regelung der Verjährung der Rundfunkgebührenpflichten umgangen oder zumindest weit gehend leer laufen würde. Denn dem Gebührenschuldner bleibt es unbenommen, die Einrede der Verjährung vor oder spätestens gleichzeitig mit der Zahlung zu erheben. Dass eine nach diesem Zeitpunkt erhobene Verjährungseinrede dagegen ins Leere geht, ergibt sich als Rechtsfolge aus § 7 Satz 1 WDR-Satzung . Die Verrechnung nach dieser Vorschrift führt nämlich zur Erfüllung des Gebührenanspruchs, mit dem die entsprechende Zahlung verrechnet wird. Dieses Erlöschen des Gebührenschuldverhältnisses ist von Amts wegen zu berücksichtigen und kann aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit nicht rückgängig gemacht werden. Durch das Erfordernis der Erhebung der Verjährungseinrede spätestens bis zur Zahlung wird der Gebührenschuldner auch nicht etwa unangemessen benachteiligt. Denn er kennt typischerweise die tatsächlichen Voraussetzungen der Entstehung der Gebührenschuld. Es ist ihm auch zuzumuten, vor der Veranlassung einer Zahlung zu überprüfen, ob von ihm noch nicht erfüllte Gebührenansprüche verjährt sind und ob er von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen will.

III. Die Klägerin hat die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Gebührenansprüche aus dem Zeitraum von Juli 1995 bis März 1998 nicht bis zum 2. Juni 2003, dem Zeitpunkt ihrer insoweit maßgeblichen Zahlung in Höhe von 872,10 EUR, erhoben. Ihr Widerspruchsschreiben vom 6. Mai 2003 betreffend den Gebührenbescheid des Beklagten vom 3. April 2003 enthält keine sich auf den vorgenannten Zeitraum beziehende Verjährungseinrede. In diesem Schreiben hat die Klägerin ausdrücklich eine Verjährung von Gebührenansprüchen nur aus dem Zeitraum von Juli bis Dezember 1998 geltend gemacht und keine (rechtserhebliche) Aussage zu früheren Gebührenzeiträumen getroffen. Daran muss sie sich festhalten lassen. Denn es ist davon auszugehen, dass sie als Rundfunkteilnehmerin die tatsächlichen Voraussetzungen der Entstehung der Gebührenschuld auch in der Vergangenheit kannte. Zudem kannte sie als (promovierte) Rechtanwältin und somit juristisch vorgebildete Person die rechtliche Bedeutung einer Verjährungseinrede und wusste insbesondere, dass auch deren Umfang im Belieben des Schuldners steht.

Die Klägerin hätte die Verjährungseinrede in Bezug auf Gebührenansprüche aus dem Zeitraum von Juli 1995 bis März 1998 auch nicht konkludent erhoben, wenn sie ihrem Vortrag entsprechend bei der Zahlung vom 2. Juni 2003 - etwa im Verwendungszweck des Überweisungsträgers - ausdrücklich nur neuere Gebührenansprüche in Bezug genommen hätte. Denn allein mit einer solchen (unwirksamen) Tilgungsbestimmung wäre nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen, dass sie die Einrede der Verjährung erheben wollte. Für eine solche Annahme würde es an tragfähigen Anhaltspunkten fehlen, zumal sie nach dem Vorstehenden die juristische Bedeutung der Verjährungseinrede kennen musste und an die Erkennbarkeit ihres wirklichen Willens (vgl. § 133 BGB in entsprechender Anwendung) deshalb höhere Anforderungen zu stellen sind.

Der zwischen den Beteiligten umstrittene Zugang des Bescheides des Beklagten vom 2. Juni 1998 gibt dem Senat Veranlassung zu folgenden ergänzenden Hinweisen: Jedenfalls dann, wenn der Zugang eines Bescheides als solcher streitig ist, es also nicht lediglich um die Frage des Zeitpunktes des Zugangs geht, sind an die Substantiierung des (schlichten) Bestreitens im Rahmen der Bekanntgabevermutung des § 41 Abs. 2 VwVfG NRW keine weiteren Anforderungen zu stellen. Abgesehen davon kommt der Beweis des ersten Anscheins in diesem Zusammenhang nur dann in Betracht, wenn der nach der Lebenserfahrung bestimmte Folgen auslösende typische Sachverhalt, zu dem die Absendung des jeweiligen Bescheides gehört, feststeht. Davon ist in der Regel nicht allein im Hinblick darauf auszugehen, dass der in Rede stehende Bescheid mit einem "Ab-Vermerk" versehen und/oder sein Erlass im entsprechenden Teilnehmerkonto dokumentiert ist. Zudem lässt allein das Fehlen eines postalischen Rücklaufs und/oder die Tatsache, dass den Adressaten andere Postsendungen der Behörde erreicht haben, nicht mit hinreichender Sicherheit darauf schließen, dass ihn ein mit einfachem Brief versandter Bescheid tatsächlich erreicht hat; es kann vielmehr nach der allgemeinen Lebenserfahrung, nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Briefsendungen auf dem Postweg verloren gehen.

Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge insoweit dem Beklagten aufzuerlegen. Er hat die Rechtswidrigkeit der streitbefangenen Zahlungsaufforderungen in Höhe von 536,11 EUR zu Recht anerkannt. Denn in dieser Höhe führten die von der Klägerin bis zum Erlass des streitbefangenen Widerspruchsbescheides geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 976,92 EUR, soweit sie nicht mit den Gebührenansprüchen aus dem Zeitraum von Juli 1995 bis März 1998 in Höhe von 862,15 DM (umgerechnet: 440,81 EUR) verrechnet wurden, zur Erfüllung der den hier in Rede stehenden Zahlungsaufforderungen zugrunde liegenden Gebührenansprüche.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Sie bezieht die unanfechtbare Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts ein und berücksichtigt, dass die Beteiligten an den jeweils entstandenen Kosten aufgrund der Streitwertreduzierung in erster Instanz teilweise mit unterschiedlichen Quoten beteiligt gewesen sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 6 B 29/07 -, juris, Rdnr. 4.