OLG Hamm, Urteil vom 20.06.2005 - 8 U 234/04
Fundstelle
openJur 2011, 35915
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 O 84/04
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 20. September 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Berufung: 18.613,55 €.

Gründe

A.

Gemäß § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 S. 1 und § 544 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers wegen des Abhandenkommens der Geldbeträge, der Uhr und des Fahrzeugschlüssels verneint.

1.

Der Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 S. 1 BGB in Verbindung mit § 695 BGB wegen Verletzung einer Pflicht aus einem Verwahrungsvertrag. Denn zwischen den Parteien ist kein Verwahrungsvertrag im Sinne von § 688 BGB zustande gekommen.

a.

Durch den Verwahrungsvertrag wird der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Die Aufbewahrung muss den Hauptinhalt des Vertrages ausmachen. Entscheidend für den Verwahrungsvertrag sind die Gewährung von Raum und die Übernahme der Obhut über die hinterlegte Sache. Der Hinterleger muss seine Sachherrschaft aufgeben und der Verwahrer die tatsächliche Verfügungsgewalt erlangen (vgl. BGHZ 3, 200, 202 = BGH NJW 1951, 957; BGH VersR 1962, 955; Münchner Kommentar/ Hüffer, 4. Auflage, § 688 BGB, Rn. 6 f., 10, 17, 43; Palandt/Sprau, 64, Auflage, § 688 BGB, Rn. 1, 2, 4). Da die Vertragsgestaltung und die Besitzlage bei der Verwahrung mit der Leihe oder Miete sehr ähnlich sind, ist die Einordnung im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebendes Kriterium hierfür ist, worin nach der Interessenlage der Parteien die wesentliche Vertragsleistung besteht (vgl. dazu die zuvor zitierte Rechtsprechung und Literatur).

b.

Vorliegend hat der Kläger seine Sachherrschaft nicht aufgegeben. Durch das Einschließen der Wertgegenstände in den Spind trat nur eine Gewahrsamslockerung ein. Der Kläger behielt nämlich den Schlüssel und hatte die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf seine Sachen, also weiterhin unmittelbaren Besitz (§ 854 BGB).

Entgegen der Ansicht des Klägers rechtfertigt es keine andere Beurteilung, dass der Kläger gezwungen gewesen sei, seine Kleidung und seine Wertgegenstände in dem Spind abzulegen, weil er diese nicht mit in die Sauna habe nehmen können. Diese Argumentation berücksichtigt nicht ausreichend, dass das erkennbare - und von dem Saunabenutzer durch die Inanspruchnahme akzeptierte – Interesse des Betreibers lediglich auf die Zurverfügungstellung einer Aufbewahrungsmöglichkeit gerichtet ist. Selbst wenn auch der Saunabetreiber einen Ersatzschlüssel zu dem Spind haben sollte, so ist dieser doch nicht dazu bestimmt, üblicherweise den Spind zu öffnen; er wird nur in Notfällen (z. B. Schlüsselverlust oder –beschädigung) verwendet. Das Behalten eines Zweitschlüssels führt auch hier allenfalls zu dessen Mitbesitz an den eingeschlossenen Gegenständen (BGH NJW 1979, 714; Palandt/Bassenge, § 854 BGB, Rn. 5), also nicht zum Verlust des Besitzes des Klägers.

2.

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers kann sich demnach nur aus der Verletzung einer Nebenpflicht aus einem gemischten Vertrag oder Mietvertrag ergeben; daran fehlt es jedoch.

a.

Unabhängig davon, welche Hinweis-/Warnschilder aufgehängt waren, hat der Beklagte die erforderlichen, geeigneten und zumutbaren Schutzmaßnahmen gegen Diebstahl der in die Spinde eingeschlossenen Gegenstände der Saunabesucher getroffen.

Das hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Auch der Berufungsvortrag des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der Beklagte stellt eine Ablagemöglichkeit in einem Spind zur Verfügung, in den Sachen eingelegt werden, die üblicherweise anlässlich eines Saunabesuchs mitgebracht werden (insbesondere Kleidung, Bargeld in nicht ungewöhnlicher Höhe und persönliche Gegenstände des täglichen Gebrauchs).

In Umkleideräumen von für die Allgemeinheit gegen Entgelt zugänglichen Sport- und Fitnessanlagen ist ein Spind der vorliegenden Art nicht ungewöhnlich (Holzspind mit Stangenschloss), zumal üblicherweise keine Gegenstände von besonderem Wert mitgebracht werden. Verbindliche objektive Standards der Bauart und Sicherheitsmerkmale eines derartigen Spindes sind nicht ersichtlich, davon gehen auch die Parteien aus. Spinde der üblicherweise zur Verfügung gestellten Art sind mit mehr oder weniger großem Kraftaufwand innerhalb kurzer Zeit unauffällig aufzubrechen. Die Gefahr des Diebstahls ist auch allgemein aus Presse, Funk und Fernsehen bekannt (ebenso AG Solingen, VersR 1995, 700 f.). Saunabesucher - insbesondere der Kläger, der die Sauna des Beklagten seit mehreren Jahren besucht - können die nur beschränkte Sicherheit des verschlossenen Schrankes zudem anhand der offenkundigen Bauart des Spindes unschwer erkennen. Deshalb können und müssen sie eigenverantwortlich entscheiden, ob ihnen diese Sicherung ausreicht und sie den Schrank und damit die Sauna in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Zudem ist es für die Kunden zumutbar, nach einer anderen sicheren Aufbewahrungs- oder Bewachungsmöglichkeit zu fragen, sofern ihnen der Spind keinen ausreichenden Diebstahlsschutz bietet. Bei besonders hohen Geldbeträgen und wertvollem Schmuck (hier 5.000 € Bargeld und eine Uhr im Wert von 12.200 €) drängt sich das Erfordernis weiterer Sicherung jedem Saunabesucher geradezu auf (ebenso AG Solingen, VersR 1995, 700, 701). Der Beklagte als Betreiber der Sauna muss demgegenüber angesichts der Vielzahl der Kunden nicht von sich aus nachfragen, ob diese besondere Wertgegenstände bei sich haben.

Im Übrigen wären bei den vom Kläger behaupteten 3 Diebstählen in mehreren Jahren keine weiteren als die getroffenen Maßnahmen (einschließlich der Kontrollgänge) erforderlich. Absolute Sicherheit von Gegenständen ist in normalen Umkleideräumen nicht möglich und angesichts vorstehender Ausführungen nicht geschuldet (vgl. auch AG Solingen, a.a.O.).

Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob – wie vom Beklagten behauptet - ein Schild mit dem Hinweis an der Empfangtheke vorhanden war, dass Wertgegenstände dort zur Aufbewahrung abgegeben werden können.

Eine Sichtkontrolle ist im Übrigen durch den Beklagten oder seine Mitarbeiter im Eingangsbereich ausreichend und zumutbar gewährleistet. Eine weitere elektronische Türsicherung zum Umkleidebereich würde die Anforderungen an die Sicherungsmaßnahmen des Beklagten entgegen der Meinung des Klägers überspannen; sie könnte nicht verhindern, dass sich Diebe als Saunabesucher ausgeben und so relativ einfach Zugang zu den Umkleideschränken bekommen.

3.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 536 a I BGB.

Bereits ein Mangel liegt nicht vor. Es fehlt die Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit, der Spind ist tauglich zu dem von den Parteien konkret vorausgesetzten vertragsgemäßen Gebrauch. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass durch das Einschließen der Wertsachen in den Spind angesichts der allgemeinkundigen beschränkten Sicherheit von Spinden in Umkleideräumen sowie der Möglichkeit des Klägers, von den – eingeschränkten - äußeren Sicherungsmerkmalen Kenntnis zu nehmen und sie zu akzeptieren, hier keine nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes vom vertraglich vorausgesetzten Zustand vorliegt.

Ein Schaden an dem Garderobenschrank, der einen Diebstahl begünstigen würde, wird vom Kläger nicht behauptet.

Im Übrigen greift der Haftungsausschluss nach § 536 b I 2 BGB ein. Hat der Kläger die offensichtlich beschränkte Sicherheit des Spindes nicht zur Kenntnis genommen, so ist ihm angesichts seiner langjährigen Besuche in der Sauna des Beklagten und der unschwer erkennbaren Bauart des Spindes grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Da der Kläger nicht behauptet, der Beklagte habe den Mangel arglistig verschwiegen, scheidet ein Schadensersatzanspruch aus § 536 a I BGB aus.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen der Zulassung einer Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage vertretener und anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen hat. Die Rechtssache besitzt so weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.